Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
die Augen der Frau mit eigenthümlichem Ausdrucke auf ihm ruhten; das war trotz der Dämmerung zu erkennen. Er aber blickte vor sich nieder und bemerkte es nicht.
»Könnt Ihr denn nichts Anderes beginnen?«
Er holte tief Athem.
»Dazu gehört Geld, und das hab’ ich net.«
Seine Augen flogen wie Hülfe suchend im Zimmer umher und fielen auf einen offen stehenden Schrank. In demselben stand eine eiserne Kassette, in welcher der Schlüssel steckte.
»So überlegt einmal, was Ihr anfangen könntet, und wenn ich gewiß sein kann, daß die Gutthat nicht weggeworfen ist, so werde ich Euch vielleicht beispringen, denn ich hoffe, daß ich nur Gutes von Euch höre.«
Bei diesen Worten mußte er daran denken, daß gerade das Gegentheil stattfinden werde, und das brachte den alten Geist wieder über ihn.
»So ist’s also nix mit dem Dienst?«
»Leider nein.«
»Dann behaltet auch die Gutthat für Euch. Der Balzer wird sich schon selber beispringen!«
Er warf die Thür krachend in das Schloß und ging.
Drunten im Hofe stand jetzt ein mit feinen Polstern ausgeschlagener und mit warmen Decken versehener Schlitten. Eine Magd trug die Wärmflasche herbei, und der Kutscher war beschäftigt, die Pferde anzuschirren. Sie blickten mißtrauisch auf die unordentlich gekleidete Gestalt des Vorübergehenden.
»So könnt’ man’s auch hab’n,« murmelte er, »wenn der Giftheiner net gewes’n wär, der mir das ganze Leb’n verstört und vernichtet hat. Alles auf’s Schönst’ und Vornehmst’ ausgestattet, wie sich’s nur so wünsch’n läßt. Aber die Kass’ da drob’n ist noch besser als der Schlitt’n, und ich gebrauch’ sie nothwend’ger als die Madam, die so schön höflich grob sein kann. Sie mag nur immer nach mir frag’n, mir ist der Leumund gleich!«
Als er aus dem Feldwege in die Straße einbog, begegnete ihm Der, an welchen er soeben mit Grimm gedacht hatte.
»Der Heiner! Der Hallunk’ trägt sich gerade wie aan Baron, mit Marderpelz und Krimmermütz’. Ich straf’ ihn mit Verachtung und thu’, als ob ich ihn gar net bemerk’.«
Es war wirklich ein ganz stattlicher Anblick, welchen Heinrich Silbermann bot, und man merkte es, daß seine Sängerfahrten selbst auf den Stoff und Schnitt seiner Kleidung Einfluß gehabt hatten. Im Gebirge tritt der Winter früher ein als im Niederlande; es hatte seit einigen Tagen stark geschneit und eine tüchtige Schlittenbahn hingeworfen, welche unter seinen Schritten stark erknirschte. Wie er so dahinging mit seinen sichern, elastischen Bewegungen, sah er bedeutend jünger aus als er war und es war ein schneidender Kontrast, den die herabgekommene Gestalt des lautlos an ihm vorübergleitenden Feindes mit ihm bot.
Schon lag das Dorf eine ziemliche Strecke hinter ihm, als er lautes Schellengeläute vernahm. Er drehte sich um; ein Schlitten nahte sich im raschen Laufe des muthigen Gespannes. Alma saß darin. Sie sah den Dahinschreitenden und glaubte, es sei ein Herr aus der Stadt. Als sie aber im Vorbeifahren einen Blick in sein Gesicht warf, ließ sie sofort halten.
»Grüß Gott, Heiner! Hätt’ Dich beinah’ gar net erkannt, so stolz und vornehm schaust’ heut aus. Willst’ nach der Stadt?«
»Grüß Gott, Alma! Ja.«
»So steig mit ein! Oder halt, hast’ auch gelernt zu fahr’n?«
»Warum net?«
»So kannst’ die Zügel nehmen. Der Knecht wird zu Haus’ gebraucht und hat net gut abkommen können. Jetzt kann er heim lauf’n.«
Der Knecht stieg ab und übergab Heiner die Zügel mit der Peitsche. Dieser griff zu und wollte den verlassenen Sitz einnehmen.
»Nein, net da vorn, Silberheiner. Komm herein zu mir, da ist’s warm und wir können auch mit ‘nander sprech’n!«
Er stieg ein, nahm die Pferde scharf zusammen, und fort gings in raschem Lauf. Er hatte mit dem herrlichen Mädchen nur zweimal gesprochen, sie überhaupt nur diese beiden Male getroffen, aber das ganze Dorf war von ihrer Schönheit, ihrer Herzensgüte und ihrem Lobe voll, und gerade die Art und Weise dieser zwei Begegnungen war ganz geeignet gewesen, sie für ihn unvergeßlich zu machen. Jetzt hatte sie selbst ihn aufgefordert, mitzufahren, ja, ihn selbst an ihre Seite genöthigt, und nun saß er neben ihr und wagte kaum, einen Blick auf den blauseidenen Schleier zu werfen, unter welchem sich ihre weichen, warm leuchtenden Züge verbargen wie die Frühlingssonne hinter leichtem Federgewölk.
»Fährst net gern Schlitt’n, Heiner?« klang es schalkhaft aus den warmen Hüllen
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