Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
um ihn legen und ihm Frieden geben mögen, so gern, so unaussprechlich gern.
Sie hatten jetzt die Stadt erreicht. Heiner wandte sich ihr wieder zu.
»Wo steigst’ ab, Alma?«
»Im ›Bären,‹ Heiner. Fährst doch wieder retour?«
»Ich muß wohl. Hast doch sonst den Kutscher net!«
»Und wo hast’ zu thun?«
»In der Buchhandlung.«
»So gehst’ erst mit in die Stub’ und bestellst den Kaffee!«
Es war ihm wie im Traume. Woher war dieses Mädchen mit seiner geheimsten Vergangenheit so gut bekannt? Das Vertrauen, mit welchem sie ihn zu ihrem Ritter machte und die Selbstverständigkeit, welche sie bei Allem vorauszusetzen schien, begannen ihn verwirrt zu machen. Tausend viel höher Stehende als er hätten sich von ihrer Gunst beglückt gefühlt, sie vielleicht um hohen Preis zu erringen gesucht, und nun ward sie ihm, dem armen Vogelsteller, so ohne alle Anstrengung zu Theil!
Er konnte nicht weiter denken. Der Gasthof war erreicht, der herbeieilende Hausknecht nahm das Geschirr in Empfang und auch der Wirth kam, sobald er das Mädchen erkannt hatte, mit außerordentlicher Schnelligkeit vor die Thür und rief, das Käppchen vom Kopfe reißend: »Willkommen, tausendmal willkommen, mein gnädigs Fräulein Komtess’. Tret’n Sie näher, herein in die Stub’, ins gute Zimmer. Es ist kaan Mensch d’rin; Sie sind ganz allein und ungestört!«
Komtesse? Heiner wußte nicht wie ihm geschah. Er schlug die Decken zurück, und ehe er zur Seite treten konnte, war sie aus dem Schlitten heraus, hatte ihre Hand auf seinen Arm gelegt und rauschte an seiner Seite am Wirthe vorüber in das Zimmer, dessen Thür der Kellner weit aufgerissen hatte.
»Kaffee!« befahl er. Er hatte sich schnell in seine Rolle gefunden; sie sollte sich nicht über ihn zu beklagen haben.
»So,« meinte sie, als sie mit seiner Hülfe abgelegt hatte und auf dem Sopha saß, »jetzt kommst’ herbei und thust Bescheid! Oder trinkst lieber ein Bier?«
Er verneinte mit einer Handbewegung und nahm ihr gegenüber Platz. Sie schenkte ein, gab ihm Milch und Zucker und hielt ihm dann das Bisquit vor.
»Willst’?«
»Bitte, erst nach Ihnen, Komtesse?«
Sie lachte glockenhell auf.
»Laß die Komtess’, Heiner, und bleib wie zuvor. Hast erst net gewußt, was ich bin und sollst es jetzt auch net wiss’n. Wir hab’n einige Tag’ hier gewohnt, eh’ wir auf den Teichhof zog’n, und daher kennt der Wirth den Titel. Und die Sprach’, bei der mußt’ erst recht fest bleib’n; der Dialekt ist herz’ger als das Hochdeutsch. Also nimm; ich bin die Hausfrau und komm’ darum erst nach Dir!«
»Was bin dann ich, Alma?« frug er zulangend.
»Du bist noch nix, und willst’ was werd’n, so mußt’ schön folg’n.«
»Wem?«
»Mir; wem sonst? Aber sag’, was willst’ beim Buchhändler?«
»Es ist aan Bescheid, den ich mir hol’n will.«
»Worüber? Darf ich’s wiss’n?«
Er wurde sichtlich verlegen.
»Nun? Hast schon Lust, net zu folg’n?«
»Weg’n den Gedicht’n.«
»Ah? Erzähl’ mir’s doch!«
»Es waaß kaan Mensch davon, net ‘mal der Vater, aber Dir will ich’s net vorenthalt’n. Ich bin net stolz auf die Gedicht’ und bild’ mir auch sonst nix ein, doch ist in unsrer Mundart noch nie ‘was gedruckt word’n, obgleich sie ihre Berechtigung hat gerade so wie plattdeutsch, bayrisch, schwäbisch oder öst’reichisch Darum hab’ ich gedacht, ich wollt ‘mal die Auswahl treff’n und in Verlag geb’n. Hätt’s geglückt, so wär’s mir die größte Freud’ und Ehr’ gewes’n.«
»Und nun willst’ sie hier dem obskur’n Bücherkrämer anbiet’n?«
»Ich hab’ sie versandt an große und berühmte Firmen und immer den Bescheid erhalt’n: ›Ihre Gedicht’ zeug’n von Talent, aber wir mög’n net!‹ So ist’s mehrere Jahr’ lang gewes’n, bis ich’s endlich müd’ geword’n bin. Nun will ich sie in Selbstverlag nehmen und dem Buchhändler hier in Kommission geb’n.«
»Hast’ denn Geld dazu?«
»Ich weiß net ob’s langt: daher will ich heut frag’n.«
»Wie viel hast?«
Er sah verlegen vor sich nieder.
»Sag’s!« bat sie dringlich.
»Von dieser Ausgab’ darf der Vater nix wiss’n, obgleich ich meine Kass’ für mich hab. Er hat auch sein wenig Geld, aber das darf ich net rechnen. Darum hab ich meine Sparniß getheilt zwisch’n ihm, mir und dem Buch.«
»Und was kommt auf den Theil?«
»Tausend Taler und einig’s d’rüber.«
»Was? Ueber dreitausend Thaler hast’? Du bist’
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