Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
kann ich bei Dir bleib’n, so lang als es mir gefällt, und das will ich auch thun, denn es läßt sich net sag’n, ob’s gleich wieder so gut paßt.«
Sie ließen sich neben einander nieder und blieben da Stunde um Stunde, eine lange, lange Zeit. Er dachte nicht an seinen Vogel, sondern an nichts und niemand, als nur an sie, die heut so gut und zärtlich war wie noch niemals. Und als sie endlich doch ging und ihm verbot, sie zu begleiten, da sah er ihr noch tief, tief in die Augen und drückte Kuß um Kuß auf ihre willigen Lippen.
»Leb wohl, Heiner; das war der schönste Tag in meinem Leb’n!«
»Leb wohl, Alwin’; Dich und den Tag vergess’ ich nie, nie, nie!«
Sie winkte zurück und er winkte ihr nach, bis sie hinter den Bäumen verschwunden war; dann legte er sich wieder zur Erde und träumte von künftigem Glück und künftiger Seligkeit, bis der hereinbrechende Abend ihn zum Aufbruch mahnte.
– – – Am andern Morgen verbreitete sich die Kunde, daß die Kantorstochter während der Nacht den Ort verlassen habe. Ein Tagelöhner hatte ihren Koffer bis zur nächsten Poststation gefahren, und niemand erfuhr, wohin sie gegangen sei, auch der Heiner nicht. An ihrem schönsten Tage war ihr Herz voll Verrath gegen ihn gewesen. Er konnte dies nie verwinden. – – – – – –
VI.
Es ist ein unerbittliches Gesetz, welches Tage an Tage, Wochen an Wochen, Monden an Monden und Jahre an Jahre reiht. Keine Stunde, keine Sekunde darf stehen bleiben; sie geht, sie muß gehen, um der nächsten Raum zu geben, und mit ihnen geht der Mensch mit seinem Denken und Treiben, hinauf oder hinunter, bergan oder bergab, unaufhaltsam und ohne Stillstand, gezogen und getrieben von den guten oder schlimmen Gewalten, denen er die Herrschaft über sich einräumt. Und dieses Steigen oder Sinken des Menschen, es ist mit seinen inneren und äußeren Erfolgen nicht nach kurzen Zeitspannen bemerkbar; seine Wirkungen wachsen stät und langsam aus sich heraus, und erst nach Jahren tritt die Veränderung zu Tage.
So war es mit dem Teichbauer zwar langsam, aber immerfort bergab gegangen. Es gehört eine schöne Zeit dazu, ein Anwesen wie den Teichhof durch die Gurgel zu jagen und die Karte zu zertrümmern, aber es war doch geschehen. Nun saß die fremde, vornehme und kranke Frau auf dem Hofe; der Balzer hatte bei einem seiner Spießgesellen eine armselige Dachstube bezogen; niemand wußte, wovon er sein Leben fristete, wenn es nicht der Wilddiebstahl war, der ihm den ärmlichen Unterhalt gewährte, und es kam endlich so weit, daß man ein scharfes Auge auf ihn richtete. Jetzt stand er vor dem Vorsteher, der ihn durch den Büttel zu sich beschieden hatte.
»Balzer, ich habe Ihn von Amtswegen rufen lass’n. Steh’ Er mir Red’ und Antwort auf die Frag’n, die ich an Ihn richt’n werd’!«
»Warum net, wenn Ihr net unnütz fragt!«
»Von unnützem Gered’ kann hier an dieser Stell’ wohl net das Gesag’ sein. Also, was treibt Er für Arbeit und wovon nimmt Er seine Nahrung her?«
»Ich treib’ was mir beliebt und leb von Dem, was mir schmeckt.«
»Gut! Das ist deutlich genug gesproch’n, so daß ich ganz genau merk’, woran ich mit Ihm bin. Wer sich vor seinem Vorgesetzt’n so dreist benimmt, wie Er, dem hält man kaane lange Red’ und macht kurz’ Federlesens mit ihm.«
»Mein Vorgesetzter? Vorsteher, was fällt Euch ein? Ich waaß kaan Wort davon, daß ich Euch mir voraufgestellt hab. Ihr thut, was Euch gefällt, ich bekümmere mich net darum, und wovon ich leb’, das ist meine Sach’ und geht Euch auch nix an.«
»Daß es mich ‘was angeht, und daß ich Sein Vorgesetzter dennoch bin, das soll Er bald erfahr’n. Merk Er nur auf, was ich Ihm jetzt sag! Ich geb’ Ihm die volle Woch’ noch Frist, daß Er sich nach ordentlicher Arbeit umthut und mir dann persönlich meldet, wo Er im Dienst steht. Thut Er dies aber net, so kommt Er in das Gemeindehaus und unter die Aufsicht des Armenpflegers. So ist’s in der letzt’n Sitzung beschlossen word’n und das hab’ ich Ihm amtlich zu eröffnen. Jetzt kann Er gehn!«
Balzer wollte mit einer Entgegnung losbrechen, der Vorsteher aber, dies voraussehend, hatte bei dem letzten Worte die Thür zum Nebenraum ergriffen und ihn allein stehen lassen.
Es blieb ihm nichts übrig, als zu gehen. Draußen aber ballte er die Fäuste gegen das Haus und murmelte eine grimmige Verwünschung vor sich hin. Dann aber blieb er, wie von einem plötzlichen Gedanken befallen, stehen,
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