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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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untersuchen. Sie ließ sich öffnen. Heiner trat ein und übersah nach drei Schritten die ganze Scene.
    Das Zimmer, in welchem er sich befand, war dasjenige, wo Balzer heut mit der Besitzerin gesprochen hatte. Daneben lag der Schlafraum, zu welchem eine jetzt weit aufgerissene Verbindungsthür führte. Eine Nachtlampe, von einem chinesischen Schirme bedeckt, erhellte ihn nur spärlich. Die Damen waren wohl im Begriffe gewesen, zur Ruhe zu gehen, als Balzer bei ihnen eintrat. Er hatte den Schrank verschlossen gefunden, und da er sich in Folge der Schwärze für sicher hielt und von den wehrlosen Frauen keinerlei Widerstand erwartete, so hatte er sich ganz einfach zu ihnen begeben und den Schrankschlüssel verlangt. In der Rechten ein scharfgeschliffenes Waidmesser, hielt er mit der Linken die Hofherrin gefaßt, deren Züge nicht zu erkennen waren. Alma hatte sich entsetzt an die Mutter geklammert; ihre aufgelösten Haare hingen wie ein reicher, kostbarer Schleier um die Gestalt, deren wundervolle Formen in dem leichten Negligée eine verrätherische Hülle fanden; sie bebte am ganzen Körper und ihre erschrockenen Augen hingen an dem verbrecherischen Eindringling, wie an einer gespenstigen Erscheinung.
    »Still sollt Ihr sein, net den Mux dürft Ihr thun, sonst ist’s um Euch geschehn! Gebt den Schlüssel heraus zum Schrank, denn die Kassett’ muß ich hab’n!«
    »Der Schlüssel bleibt mein,« erwiderte die muthige Frau, »und wenn Ihr nicht sofort geht, so rufe ich meine Leute herbei!«
    »Versucht’s nur, wenn Ihr könnt! Das Messer wird net spaß’n!«
    Sie versuchte, sich von ihm loszureißen.
    »Hül – – –«
    Sie konnte den Hülferuf nicht vollenden; ein rascher Griff um ihren Hals benahm ihr die Möglichkeit dazu. Er holte mit dem Messer aus, da aber schmetterte ein fürchterlicher Faustschlag auf seinen Schädel nieder, so daß er im Augenblicke lautlos zusammenbrach.
    »Da hast’ genug, Spitzbub’! Grüß Gott, Alma! War’s so zur recht’n Zeit?«
    »Heiner!«
    »Nur das eine Wort rief sie; aber es lag in demselben eine ganze Welt voll Entzücken, und dann sank sie mit einem herzerschütternden Schluchzen zu Boden.«
    »Alma!« rief er und »Mein Kind!« ihre Mutter.
    Sie knieten vor dem Mädchen, welches die Augen geschlossen hatte und unter konvulsivischen Bewegungen erzitterte.
    »Die Essenz, Heiner, schnell, schnell!«
    »Wo ist sie?«
    »Dort auf der Toilett’ das Flaçon!«
    Er brachte es herbei, und während er den Kopf des Mädchens in seinen Arm nahm, besprengte die Mutter das blutleere Gesichtchen mit den belebenden Tropfen.
    Hinter ihnen regte es sich leise. Balzer erwachte aus seiner Betäubung und öffnete die Augen; die wiederkehrende Besinnung zeigte ihm, daß er unbeachtet sei; er erhob sich und verschwand geräuschlos im Dunkel des Nebenzimmers.
    »Es hilft! Nun noch aan wenig Wasser, Heiner!«
    Alma öffnete die müden Lider und sah die Beiden mit sich beschäftigt.
    »Was ist’s – wo bin – – wo ist der fürchterliche Mann?«
    Erst jetzt dachten sie an den Verbrecher. Heiner schnellte empor und stieß einen Ruf der Ueberraschung aus.
    »Er ist fort!«
    »Fort?« frug die Mutter. »Das ist das Best’, was er thun konnt’. Immer laß ihn, Heiner! Er wird den Weg schon find’n.«
    »Aber ich muß ihn doch festhalt’n; es ist der Balzer!«
    »Das hab’ ich schon gewußt; aber es hat ihm nix genutzt, und da woll’n wir ihn ruhig laufen lass’n.«
    »Laufen lass’n – den Räuber, den Mörder?«
    »Ja, Heiner. Ich mag weg’n ihm net auf’s Gericht, und er wird auch ohne uns noch seine Straf’ bekommen.«
    »Wie Ihr wollt, so ist mir’s recht; aber es ist net gut, wenn so aan Mensch frei davongehn darf!«
    Sie hatte eine Hülle um den Kopf gelegt und so weit vorgezogen, daß sie das Gesicht überragte. Dann trat sie zu ihm und ergriff seine Hand.
    »Heiner, die Rettung jetzt, die werd’ ich nie vergess’n. Ich sag’ ganz groß’n Dank! Aber wie ist’s denn so gut und glücklich gekommen?«
    Er fand nur schwer die Worte, seine Anwesenheit beim Hofe zu erklären, und berichtete dann das Weitere.
    Alma sprach kein Wort der Anerkennung, aber das glückliche Lächeln in ihrem jetzt wieder gerötheten Angesicht sprach deutlicher als Worte.
    Jetzt endlich kam auch das Gesinde herbei, welches durch die Unruhe in den Räumen der Herrschaft aufmerksam geworden war.
    »Es ist nix von Bedeutung, Ihr Leut’!« meinte die Herrin. »Der Heiner hat Jemand durch die

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