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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Scheun’ kriech’n sehn und es mir gemeldet. Schaut nach, ob Ihr Wen findet, und geht dann ruhig schlaf’n!«
    Auch Heiner ging, nachdem er den freundlichsten Abschied erhalten hatte; aber er verließ die Umgebung des Hofes nicht eher, als bis die bald entdeckten Fußspuren ihm die Ueberzeugung gaben, daß auch Balzer heimgekehrt sei.
    Die Frauen blieben in einer leicht erklärlichen Aufregung zurück. Das Bedürfniß des Schlafes war ihnen vollständig vergangen, und so saßen sie bei einander und besprachen das Ereigniß in allen seinen erschütternden Einzelheiten.
    »Du hast Dich bisher so von allem Verkehr zurückgezogen, Mama, damit man Dich nicht erkennen solle, und nun ist er doch bei Dir gewesen,« meinte Alma schließlich.
    »Aber er hat mich nicht erkannt.«
    »Nein, sonst hätten wir es sicher merken müssen. Nicht wahr, nun erfüllst Du schon aus Dankbarkeit für seine heutige Hülfe meine Bitte?«
    »In Beziehung seiner Gedichte? Ja. Ich habe das Manuskript noch gar nicht aufgeschlagen; ich wollte mir die Lektüre bis zu einer Stunde völliger Muse aufheben; da wir aber nun doch noch nicht zur Ruhe gehen, so laß uns einmal hineinsehen!«
    Sie nahm die Schrift aus ihrem Verwahrsam und schlug die Blätter auseinander. Ihre feinen, leidenden Züge bekamen Leben, ihre Augen, erst so matt, begannen zu glänzen, und von Blatt zu Blatt rötheten sich ihre Wangen mehr und mehr. Sie traf auf viel, auf sehr viel Bekanntes, und allemal war es ein inniges, glückliches Lächeln, mit welchem sie es begrüßte. Sie las selbst und laut; Alma hörte mit nicht geringerer Theilnahme zu; sie fühlte nicht, daß jedes auf die unglückliche Liebe des Dichters bezügliche Wort ihr Herz mit leisem Stachel traf, und als die letzte Zeile verklungen war, umarmte sie die Mutter innig und flüsterte tiefathmend: »Er muß Dich sehr, sehr lieb gehabt haben!«
    »Ja!« entfuhr es langsam ihren Lippen. »Und diese Liebe habe ich mit schwarzem Undank belohnt!«
    »Aber auch dafür gelitten, Mama! Der elende Glanz des Bühnenlebens, der böse Papa mit – – –«
    »Er ist todt, Alma, und Du hast ihn nie gekannt; er war Aristokrat und Millionär und konnte es mir später nie verzeihen, daß er mir im Rausche der Jugend die Rechte der Frau eingeräumt hätte. Laß ihn ruhen. Es ist kein Wunder, daß das Andenken an Heiner nie verlöschen konnte, sondern vielmehr diesen mir in immer hellerem, edlerem Glanze zeigte.«
    »Er wird Dir vergeben und Dich wieder lieben, Mama!«
    Es war ein stilles, ergebungsvolles, beinahe trauriges Lächeln, mit dem die Mutter antwortete.
    »Ich denke an kein Opfer, das er mir bringen müßte!«
    Sie spielte mit einem Blatte, welches zwischen der letzten Seite und dem Einbande des Manuskriptes gelegen hatte. Es umwendend, bemerkte sie, daß es beschrieben sei. Sie las und gab es dann mit einem unbeschreiblichen Blicke der Tochter hin.
    »Ein Opfer?« hatte diese gefragt.
    »Ja, ein Opfer. Lies selbst!«
    Das Mädchen sah die wenigen Zeilen, und tiefe Gluth bedeckte ihr Gesicht bis zum Nacken herab. Sie las:
     
    »Ich sah der Sonne letzten Strahl
    Um dunkle Wolken sprüh’n
    Und unter Küssen ohne Zahl
    Die Tanne hell erglüh’n.
     
    Ich sah den lieben Tannenbaum
    Im gold’nen Morgenlicht,
    Sie kam zurück; es war kein Traum,
    Und dennoch war sie’s nicht.
     
    Es war ihr Bild, nein, nicht ihr Bild,
    Sie selbst war’s, doch verklärt
    Und nun ist aller Schmerz gestillt,
    Der, ach, so lang gewährt.«
     
    Sie sagte nichts; aber als die Mutter ihre Arme um sie legte, da drückte sie das Köpfchen fest an den treuen, entsagungsfreudigen Busen und in ihren Wimpern glänzte ein großer, heller Thränentropfen.
    »Alma, er wird mir verzeihen und glücklich sein!«
    »Und der Großvater?«
    »Er ist starr und unversöhnlich, doch wollen wir zu Gott bitten, daß er ihm das Herz lenkt und verzeihlich stimmt. Die Vorsehung ist eine liebevolle Mutter ihrer Menschenkinder; sie zählt die Thränen und läßt nicht eine davon verloren gehen. Auch die meinen werden getrocknet werden; diese Überzeugung und die Liebe zu meinem guten Kinde, sie allein haben mir die Kraft gegeben, die mich in allem Leide aufrecht erhält. Komm’, laß uns nun zur Ruhe gehen!«
VII.
    Die Wochenfrist war vergangen, und Balzer kam zum Vorsteher, um seine Meldung zu machen. Es fiel ihm schwer, dem Befehle Gehorsam zu leisten, aber er sah ein, daß er sich fügen müsse, und einen Trost hatte er dabei, nämlich den, dem Gemeindehause

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