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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das Schindeldach mit Stroh und Reisig angefüllt; von ihm aus ging die Hinterthür in den Hausflur. Balzer untersuchte die Thür. Sie hatte kein Schloß und war von innen durch eine einfache Holzklinke zu öffnen, die in einen Haspen fiel. Er zog einen Drahthaken hervor, öffnete und trat in den Flur. Er merkte nicht, daß es hinter ihm leise zu knistern begann. Er hatte das Zündholz unachtsam von sich geworfen, so daß es in das dürre Reisig fiel.
    Die Stubenthür war mit einem jener alten Drehschlösser versehen, welche keinen Schlüssel, sondern einen Drücker haben, dessen Innentheil aus einer Schraubenmutter besteht, welche, um zu öffnen, an den Schraubentheil des Schlosses geleiert wird. Die Einfachheit dieser Schlösser hat zur Folge, daß sie alle mit jedem beliebigen Drücker geöffnet werden können. Balzer war auch hierauf vorbereitet. Er zog einen Drücker aus der Tasche und öffnete.
    Nachdem er die Thür leise wieder hinter sich zugezogen hatte, sah er sich in der Stube um. Die Truhe, welche er suchte, stand in dem hinteren Winkel. Er fand sie verschlossen und nahm nun Meisel und Zange zur Hand. Da diese Arbeit so leise wie möglich geschehen mußte, so nahm sie ziemlich lange Zeit in Anspruch. Es wurde ihm heiß dabei; daß diese Hitze noch eine andere Ursache habe, vermuthete er nicht im Geringsten.
    Endlich sprang der Deckel auf und sein gieriger Blick verschlang das Innere. Hier hatte er jedenfalls eine sicherere Ernte zu halten, als im Teichhofe, denn er erblickte mehrere Schachteln, jede mit einer bestimmten Geldsorte gefüllt. Daneben lagen zwei Sparkassenbücher, ein Hypothekenschein und eine Anzahl alter Pretiosen nebst einer Uhr, jedenfalls das Eigenthum des älteren Silbermann.
    Noch musterte er seine Beute, da schrak er plötzlich zusammen. »Feuer, Feuer!« ertönte es draußen auf der Straße, und zu gleicher Zeit fielen krachende Schläge gegen die Hausthür. Schnell ergriff er ein Tuch, raffte Alles hinein, warf den Deckel zu, blies das Licht aus und eilte aus der Stube. Er wollte durch die Hinterthür entfliehen, blieb aber geblendet stehen, denn der Schuppen stand in Flammen, so daß das Feuer ihm den Ausgang verwehrte. Es blieb ihm kein anderer Weg, als vorn durch die Thür oder eines der Fenster; er war gefährlich genug, aber der einzige, den es gab.
    Er trat also in die Stube zurück und zog den Vorstecker aus dem einen Ladeneisen. Draußen hatte sich bereits eine Menge Menschen versammelt, welche einzudringen versuchte. Da dies durch die Thür nicht gelang, so versuchte man es durch die Fenster. In demselben Augenblicke, als Balzer den Vorstecker entfernte, wurde von Außen an dem Laden gezogen. Dieser fuhr auf, eine kräftige Faust schlug an das Fensterkreuz, daß die Scheiben zersprangen; das Fenster wurde eingestoßen und es stieg Jemand in die Stube, um die Hausthür zu öffnen. Er bemerkte Balzer nicht und stürzte an ihm vorüber. Dieser erfaßte den Augenblick, und während die Draußenstehenden ihr Augenmerk auf den Eingang richteten, sprang er zum Fenster hinaus und über die Straße hinüber.
    Heiner befand sich noch im Gesangvereinslokal als der Feuerruf erschallte. Die Sänger flogen sofort auseinander und auf die Straße.
    »Wo brennt’s?«
    »Bei Silbermanns!« ertönte die Antwort.
    Da sprang er, wie von der Feder geschnellt, allen Uebrigen voran die Straße hinab. Eben als er den Platz erreichte, sah er Balzer aus dem Fenster springen.
    »Der Brandstifter! Haltet ihn!« rief er und schoß hinter ihm her.
    Balzer wußte, daß Heiner im Laufen ihm überlegen sei. Alles Andre war verloren, aber das Geld und die Freiheit mußte gerettet werden. Er schoß an dem Zaune des Kantors hin, bog um die Ecke und schwang sich, seinen Vorsprung benutzend, in den Garten, wo er sich lautlos niederduckte, um den Verfolger an sich vorüberspringen zu lassen. Heiner aber war nicht der Mann, der sich täuschen ließ. Im nächsten Augenblicke sprang auch er herüber und hatte den sich wieder aufraffenden Flüchtling gerade an der verhängnißvollen Laube erreicht. Die helle Lohe beleuchtete die beiden Feinde, so daß Jeder deutlich den Haß aus dem Auge des Andern sprühen sah.
    »Steh fest, Feuermann; jetzt entkommst mir net, wie dort im Teichhof!«
    »Denkst? Hab’ Acht, Giftheiner, jetzt gilts!«
    In die Tasche langend, riß er die Flasche heraus, schwang sie hoch empor – – –
    »Her mit der Waff’!« rief Heiner, bäumte sich auf, riß ihm die Flasche aus der Faust und

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