Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
zu schonen. Dieser war stark und glaubte, seines Gegners ebenso schnell Meister zu werden als gestern. Aber er vergaß, daß da Zwei gegen Einen gewesen waren. Er fühlte sich nach und nach ermatten, und endlich gelang es dem jungen Manne, sich loszureißen. Schnell sprang er empor und war in der nächsten Secunde zwischen den Büschen verschwunden. Wie von der Hölle gehetzt, eilte er durch Busch und Dorn immer vorwärts und stand nicht eher still, als bis er das Dorf vor sich liegen sah. Da warf er sich zur Erde nieder und gab der inneren Erschütterung in einem lauten, herzerschütternden Schluchzen Raum.
So lag er lange, lange Zeit; die Klagelaute erstarben und er wurde ruhiger. Was sollte er thun? Er wußte sich weder Rath noch Hilfe und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, als wolle er von Welt und Leben nichts mehr sehen. Da rauschte es leise neben ihm und eine freundliche Stimme grüßte:
»Gut’n Morg’n! Wer ist denn das? Ich glaub’ gar, das ist der Heiner, der hier im Gras liegt und – – lieber Herrgott, hast ja geweint, Heiner!«
Er richtete sich empor und blickte die liebliche Erscheinung an, als wär’s im Traume.
»Grüß Gott, Paulin’! Ja, geweint hab’ ich. Komm, reich’ mir die Hand und laß Dich bei mir nieder!«
»Das wird net auf lange sein. Ich wollt’ vor der Kirch’ mich erst ein wenig auf der Flur umschaun, und nun wird’s gleich läut’n. Doch sag’, warum weinst’ an so einem schönen Sonntagsmorg’n? Ist Dir ‘was Traurig’s begegnet, bei dem ich Dir ein Wenig helf’n kann?«
»Du kannst mir net helf’n, Paulin’, und ich kann Dir’s auch net sag’n, jetzt net, heut’ net; aber später wirst es vielleicht erfahr’n.«
»So sei jetzt auch fröhlich und guter Ding’. Wann bist’ nach Haus’ gekommen?«
»Gestern Abend.«
»Drum hab’ ich Dich noch gar net zu seh’n bekommen. Und wann bist’ heut’ fort?«
»Schon in der Früh’.«
»So weißt’ wol auch noch gar net, was für vornehmer Besuch bei Euch zugeg’n ist?«
»Ist er schon da?«
»Ja. Ein Wagen ist’s, so prächtig, daß kein Graf sich damit zu schämen braucht. Und wer saß drin? Ein fremder Herr mit einem Mädchen, das gar stattlich aufgeputzt war. Aber gut hat’s net ausgesehn; die Aug’n sind so spitz und schief gefahr’n, und der Herr hat dazu geblickt, als hätt’ er die Kirch’ mitsammt dem Thurm verschluckt.«
»Es ist die Braut, die ich bekommen soll!«
»Die Braut?« frug das Mädchen, indem die Röthe von ihren Wangen wich. »So bist wol gar versproch’n?«
»Nein. Ich mag sie doch gar net, jetzt net und niemals net!«
»Ist’s auch wahr, Heiner?«
»Gewiß und wahrhaftig wahr!«
Die erbleichten Wangen rötheten sich wieder, und ihre kleine Hand ergriff die seine.
»Wärst auch net glücklich geword’n mit ihr, Heiner! Sie sah aus wie die Sybill’, die zwanzig Männer net fürchtet.«
»Du schaust wol anders aus als sie, Paulin’?«
»Ich? Wie kommst’ auf mich?«
»Weil ich grad’ keine Andre hier zugeg’n hab’.«
»Geh’, Du Böser!«
Alles Herzeleid war für den Augenblick vergessen. Er erfaßte auch ihre andre Hand und blickte ihr innig in das verlegene Angesicht.
»Weißt’, warum ich die Braut net mag?«
»Warum?«
»Weil ich schon eine Andre kenn’, die mir’s angethan hat, an die ich allzeit gedacht hab’ in der Fremd’, als ich net zu Haus’ gewes’n bin.«
»Das muß eine gar Vortreffliche sein! Sag’ doch, wer es ist?«
»Du net!«
»Das weiß ich schon ganz von selber, denn die Paulin’ hat dem stolz’n Heiner ganz niemals ‘was gegolt’n.«
»So komm her, in’s Ohr will ich Dir’s sag’n!«
Sie beugte sich zu ihm; er umfaßte sie, näherte den Mund ihrem Ohre und gab ihr statt der verheißenen Auskunft einen schnellen Kuß.
»Geh’, Heiner, das ist net wahr!«
»Glaubst’s net?«
»Soll ich denn?«
»Ja, Paulin’, Du sollst! Schau, ich hab’ nie und nirgends eine Freud’ gehabt als bei der Mutter und bei Dir, und darum ist meine ganze Lieb’ auch nur für Euch Beid’ bestimmt. Ich hab’ gestern und heut einen Schlag erhalt’n, den ich nie verwind’n werd’, wenn Du ihn mir net trag’n hilfst. Der liebe Gott hat Dich jetzt herausgesandt in mein Herzeleid, um mir den Weg zu zeig’n, wie ich etwas sühnen kann, das ich mir gar schwer auf mein Herz genommen hab’. Und was der liebe Gott schickt und fügt, das kann allzeit nur Glück und Seg’n bringen. Glaubst’ das, Paulin?«
»Ja,
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