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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Heiner.«
    »Und willst’ mich lieb hab’n, so ein ganz klein Wenig?«
    »Net ein Wenig, Heiner, sondern viel, recht viel!«
    »Das wird Dir auch der liebe Gott vergelt’n! Da hast’ meine Hand, daß Du dies Wort niemals bereuen sollst!«
    »Aber Dein Vater?«
    »Mit dem hab’ ich abgerechnet und wir sind quitt. Und der Deine?«
    »O, der ist gut! Er mag von dem Wies’nbauer nix wiss’n, aber auf Dich hält er gar große Stück’ und beklagt Dich nur immer, Dich und die Mutter, daß Ihr so viel Heimsuchung zu erduld’n habt.«
    »So darf ich zu Dir kommen?«
    »Ja. Heut auf den Abend. Wirst’ kommen?«
    »Ich komm’, Paulin’, aber net vor die Thür, sondern gleich in die Stub’.«
    »So schickt sich’s auch, Heiner. Aber jetzt läutet’s in die Kirch’. Leb’ wohl!«
    »Leb’ wohl und bet’ auch für mich; ich hab’s gar nöthig!« – – –
     
    Am Nachmittage saß der Thorbauer an dem geöffneten Fenster, wo die wärmenden Strahlen der Sonne auf sein Gesicht fielen. Es war ewige Nacht um ihn, und wenn er das Gestirn des Tages nicht zu erblicken vermochte, so wollte er doch wenigstens ihre belebende Wirkung mit den Gefühle empfinden. Der periodisch wiederkehrende Schmerz seiner Augen hatte sich seit gestern von Neuem eingestellt, und als er jetzt die Bäuerin eintreten hörte, frug er:
    »Hast noch Sonnenthau?«
    »Nein; er ist letzthin all’ geword’n. Thun Dir die Aug’n wieder weh, Vater?«
    »Ja.«
    »Armer Schelm! Wie bekommen wir nun den Thau herab?«
    »Der Knecht mag gehn.«
    »Der hat heut’ frei und ist schon fort.«
    »Ist die Paulin’ daheim?«
    »Ja. Sie soll gehn? Willst’ ihr das wirklich zumuth’n?«
    »Von weg’n den Gespenstern? Geh, Mutter, das ist unverständigs Gered’! Wie ist das Wetter drauß’n?«
    »Gut. Die Sonn’ scheint mild und warm, und es blüht und duftet All’s, so daß es Einen gern hinauslockt in das Feld.«
    »So geh’ ich mit! Ich bin gar lang net nach dem Wald gekommen und sehn’ mich zu ihm hin. Ruf’ sie und bring’ mir den Rock und die Mütz’!«
    Die Tochter stellte sich ein, und bald schritten sie langsam auf demselben Wege hin, dem am Morgen der Wiesenbauer mit seinem Sohne gefolgt war. Den Stock in der einen Hand hielt er mit der andern die ihrige erfaßt, und es war gar beweglich anzuschauen, mit welcher Sorgfalt sie ihn leitete, damit sein unsicherer Fuß ja nicht strauchle. Dabei erklärte und beschrieb sie ihm alles, was seinem Auge verschlossen war, und wie der eine Sinn um desto schärfer wird, je mehr die Thätigkeit des andern ruht, so trank er den Duft des Waldes mit um so größerem Behagen, als er die Herrlichkeit der Natur nicht zu erblicken vermochte.
    So gelangten sie zwischen die jungen Tannen, wo ihnen laute Stimmen entgegenschallten.
    »Ich bin mit allem zufrieden, Oppermann; nur sagt, wo eigentlich der Heinrich bleibt!«
    »Er wird zu Hause sein, wenn wir heimkommen.«
    »Galant und aufmerksam scheint er nicht zu sein,« bemerkte eine weibliche Stimme.
    »Wer kommt?« frug Schubert das Mädchen. »Der Wies’nbauer ist dabei?«
    »Ja, mit dem Besuch, der heut’ gekommen ist.«
    »So führ’ mich auf die Seit’.«
    »Der Pfad ist schmal; es wird kaum zugehn.«
    Sie stellte sich mit ihm an die Tannen, um die drei Personen vorüber zu lassen.
    »Holla, der Thorbauer!« rief jetzt Oppermann. »Mach’ Dich noch weiter hinüber, sonst schaff’ ich Raum!«
    Der Angeredete drängte sich hart an die Zweige; eine Antwort gab er nicht.
    »Noch net genug. Mach weiter!«
    Er gab ihm einen Stoß, daß er wankte und zwischen die stechenden Zweige zu Boden fiel. Pauline ergriff ihn und half ihm empor.
    »Schämt Euch, Wies’nbauer,« rief das Mädchen, die, obgleich sonst zaghaft, hier ihre Entrüstung nicht zu bemeistern vermochte; »solch Held’nstück bringt keine Ehr’!«
    »Lass’ ihn gehn, Paulin; ich streit’ mich net mit ihm, denn ich weiß, daß ich in ihm den ›Meister‹ find’!«
    Er gab dem letzten Worte einen eigenthümlich bezeichnenden Nachdruck und ergriff ihre Hand. Sie setzten ihren Weg jetzt schweigsam fort, das Zusammentreffen mit den drei Personen, hatte in Beiden Gefühle erweckt, denen sie innerlich Rechnung tragen mußten.
    »Ist der Steinbruch bald da?« frug endlich Schubert. »So geht es links empor!«
    Es verursachte ihm große Mühe, die steile Lehne zu überwinden; er glitt öfters aus und athmete hoch auf, als sie endlich oben angelangt waren.
    »Jetzt rechts hinüber, Paulin’, bis

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