Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Sach’! Und wenn Dich kein Grenzer und kein Richter findet, der liebe Gott faßt dennoch zu, wenn seine Zeit gekommen ist, und dann ist in einem Tage alles zernichtet und zerstört, was Dich viel Jahre gekostet hat. Der Grenzmeister hat große Macht, doch ist’s die Macht der Furcht, und der geringste Zufall kann ihn verderb’n.«
»So, das ist die Antwort, die ich bekomm? Bursch’, glaubst etwa, Du willst mich hofmeistern? Was bringst’ den Thorbauer? Ihm ist sein Recht geschehn, denn wenn er mir die Anna net weggenommen hätt’, so wär’ ich an seiner Stell’. Er hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Aber es ist gut, ich seh’, was ich von Dir zu erwart’n hab’. Ich wollt’ in Güt’ und Freundlichkeit mit Dir verkehr’n; Du willst aber net, nun, so geschieht’s in andrer Weis’. Merk’ also auf, was ich Dir jetzt sag’: Drüb’n über der Grenz’ wohnt der Kaufmann, mit dem ich das Geschäft mach’. Er hat eine Tochter und ich hab’ einen Sohn. Wir thun beid’ zusammen, damit auch der Gewinn beisammen bleibt. Heut kommt er mit ihr, und Du nimmst sie mit auf den Tanz. Zum Herbst ist die Hochzeit.«
»Vater!«
»Still! Was ich Dir sag’, das hat Dir der Grenzmeister befohl’n, und was der will, das führt er durch. Ich wollt’ Dich in das Geheimniß einweih’n, nun aber kann’s net geschehn. Komm’!«
»Ja, komm; es ist mir fürchterlich an diesem Ort. Hier ist die Höhl’, in der Ihr Euch versteckt; aber die Flieg’ und der Käfer da am Hollunder kann Euch verrath’n, wenn der liebe Gott es will!«
Der Wiesenbauer lachte höhnisch auf.
»Bist ja recht fromm geword’n! Es geschieht kein Zeich’n und kein Wunder mehr, und die Flieg’ hat keinen Mund, um zu sprech’n. Also bereit’ Dich vor auf den Besuch, der grad’ zu Deiner Heimkehr eingerichtet ist. Am Abend giebt’s Verlobung!«
»Es geht net, Vater! Wenn ich auch sonst nix dageg’n einzuwend’n hätt’, so will ich mich doch von Eurer Schuld frei halt’n.«
»Was soll das heiß’n? Willst’ uns anzeig’n?«
»Nein. Was Ihr bisher gethan habt, das liegt net auf meiner Seel’, da darf ich schweig’n. Doch bei all’m, was der Grenzmeister von jetzt an thut, bin ich der Mitschuldige, und das darf ich net leid’n!«
Der Wiesenbauer richtete sich hoch empor; die Adern seiner Stirn schwollen blauroth an, und sein Auge blitzte grimmig auf den Sprecher.
»So, also das hab’ ich an Dir zu erwart’n! Denk’, daß Du net mein Kind, sondern ein Fremder bist und daß ich Dich zernicht’n werd’, wenn Du mich nur den geringst’n Verrath ahnen läss’st!«
»Vater, ich hab’ Dir schon gesagt, ein einz’ger Tag kann all Dein Werk zerstör’n. Laß Dich bitt’n! Thu mir’s und der Mutter zu lieb, und – – –«
»Still! Ich mag keine Bitt’ vernehmen! Gestern hab’ ich Dich gerettet; heut geschieht’s net wieder, hier bleibst’ stehen auf der Stell’ und schwörst, meinen Will’n zu thun und auch fernerhin net das Geringste zu sag’n.«
»Ich kann net, Vater. Mein Gewiss’n ist mir höher, als die Furcht vor Dir. Und weil ich Dich net bitt’n darf, so laß uns weiter gehn!«
»Nein, net einen Schritt kommst’ von hier fort, bis wir fertig sind, und fertig werden wir auf diese oder die andere Weis’, dafür bin ich der Grenzmeister. Mein Werk steht fest, das zerstört mir kein Jahr, viel weniger ein Tag, darauf kannst Du Dich verlass’n. Du weißt zu viel und darfst net zurücktret’n. Also entscheid’ Dich für mich oder wider mich. Das Erst’ ist gut, beim Zweit’n bist verlor’n! Willst schwören oder net?«
Sie hatten »Im Sonnenthau« verlassen und standen jetzt mehr am Rande des Steinbruches.
»Ich kann und darf net, Vater. Laß den Schmuggel, und ich will Dir stets ein guter und folgsamer Sohn sein der – – –«
»Still! Schwörst’ oder net?«
»Nein!«
»Zum dritt’n Mal, schwörst oder net?«
»Nein!«
»So fahr’ hin, mißrath’ner Bub!«
Mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft holte er aus, um den Sohn in den Bruch hinabzustoßen; Heiner aber hatte das Fürchterliche geahnt; er sprang auf die Seite und ergriff den Vater, der sonst unter seiner eigenen Wucht hinabgestürzt wäre. Ihre Arme schlangen sich in einander, und es entstand ein Ringen, das um so entsetzlicher war, als es zwischen zwei Männern geschah, die sich durch die innigsten Bande vereint fühlen sollten. Heiner hatte für sein Leben zu kämpfen und mußte doch dabei bedacht sein, den Vater
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