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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zwanzig Jahr’n! Das sind gar selt’ne Thier’, und ich möcht’ nur wiss’n, wie sie heißen mög’n!«
    Heiner betrachtete die Hartflügler, welche die Bäume bis in die kleinsten Zweigspitzen bedeckten.
    »Das ist die spanische Flieg’ oder Cantharid’, wie die Gelehrten sag’n, aus der das schlimme Zugpflaster gemacht wird.«
    »Da bist’ ja ein richt’ger Naturgelehrter, wenn Du solche Sach’n kannst!«
    Er führte ihn seitwärts, wo der Geruch weniger lästig wurde und gebot ihm, sich an seiner Seite niederzulassen. Nachdem er sich eine neue seiner guten Cigarren, derentwegen er bekannt war und die er nur beim Schlafengehen ausgehen ließ, angebrannt hatte, begann er:
    »Heiner, wir hab’n bisher kein gutes Land mit ‘nander gepflügt; jetzt aber bist’ groß gewachs’n, hast Verstand bekommen und es soll anders werd’n. Ich hab’ Dich hier heraufgeführt, um Dir zu zeig’n, daß ich für Dich gearbeitet hab’ all’ diese Zeit her, und wenn Du mir Gehorsam leistest, so steht Dir ein großes Glück bevor.«
    »Sprich, Vater!« antwortete der Jüngling, der bei den Verheißungen des Alten sich beklemmt und beängstigt fühlte.
    »Ja, ich werd’ sprech’n, und Du sollst mir ohne Red’ und Wort zuhör’n, bis ich fertig bin. Schau, da drüb’n geg’n Mittag liegt ein großes Land und geg’n Mitternacht auch ein mächt’ges Reich; beid’ thun schön und freundlich mit ‘nander, und ist immer Krieg zwisch’n ihnen, net mit Säbel und Kanon’, sondern mit den Zahl’n, die auf dem Zollgebot stehn. Unser König verbietet mir, den Wein zu trink’n, der da drüb’n wächst, und wenn ich’s dennoch möcht’, so muß ich außer dem Preis noch ein Extrageld aus meiner Tasch’ an ihn zahl’n. Und Denen ihr König verbietet ihnen, unser Salz zu ess’n, nur desweg’n, weil’s bei uns bereitet ist, und wer trotzdem welches will, muß auch in die Extratasch’ greif’n. Aus Berlin, das so viele Meil’n von hier liegt, darf ich mir ohne Straf’ Stiefeln kauf’n, so viel ich will, und in Breitenbach, das keine Stund’ entfernt ist, darf ich’s net, wenn ich net so viel extra zahl’, daß ich sie beinah’ noch ‘mal besohlen lass’n kann. Wenn ich meinem Knecht sag: Kauf Deinen Tabak vom Krämer und net im Kaufmannslad’n, so lacht er mich aus und thut dennoch, was er will. Und er hat das Recht dazu. Hab’ ich net dasselbe Recht auch geg’n den König, der mir das aufzwingt, was ich net mag und das verwehrt, was ich mir grad’ wünsch’ und billig kaufen könnt?«
    »Vater, Du siehst die Sach’ ganz von der falschen Seit’. Ich denk – – –«
    »Nix sollst’ denk’n, gar nix, sondern nur zuhör’n! Der Zoll ist eine Ungerechtigkeit, die uns den Beutel lichtet, und darum muß Jedermann sich dageg’n wehr’n so viel er kann, mit List oder Gewalt, je nachdem er’s vermag. Das hab’ ich gethan. Ich war ein armes Leut’ und bin dadurch emporgekommen. Pascherei und Schmuggel nennt man dies Geschäft, aber es ist nix als Nothwehr, zu der mich mein Vortheil und mein Gewiss’n treibt. Ja, ich bin der Grenzmeister; das weißt’ seit gestern Abend; ich bin stolz darauf, und auch Du sollst Dir eine Ehr’ d’raus ziehn, daß Du mein Gehülf’ und Nachfolger wirst. Darum – –«
    Der Sohn ließ ihn nicht weiter sprechen; er erhob beide Hände abwehrend entgegen.
    »Bitt’, Vater, sei still und hör’, was ich Dir zu sag’n hab’!«
    »Nun?«
    »Wenn Brot im Land gebraucht wird und Du verkaufst das Getreid’ dennoch über die Grenz’ hinüber, so hat der König das Recht, den Zoll zu setzen, und wenn hier bei uns die Leut’ auf Arbeit harren und Du läßt dennoch Deine Sach’ im Ausland mach’n, so kannst’ auch mehr bezahl’n, damit doch wenigstens etwas im Land verbleibt. Und dann hat der König net den Zoll gemacht, sondern Du selber, denn Du hast den Mann mit gewählt, der im Landtag für uns spricht. Was er nun dort sagt, das mußt’ auch respectir’n. Der Schmuggel ist net Nothwehr, sondern ein Verbrech’n, das große Straf’ verdient. Und wie hast’ ihn betrieb’n? Mit Mord und Schauderhaftigkeit; denk’ an den Thorbauer! Hast’ mir net selber gesagt, daß ich gestern verlor’n gewesen wär’, wenn ein Andrer mich getroff’n hätt’? Du bist mein Vater und ich kann Dich net anzeig’n und verklag’n; aber seit gestern ist mir das Herz verblutet, und ich will lieber sterb’n als mit Dir das Gleiche thun. Vater, laß’ ab von dieser

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