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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Schlucht beginnt.«
    Sie war noch nie an diesem Ort gewesen und mußte sich auf seine Weisung verlassen. Bald standen sie am Ziele.
    »Hier ist die Schlucht mit dem Wassermoos am Bod’n, Vater, und hier steht auch – – –«
    Sie hielt mitten in der Rede verwundert inne. Der Thorbauer stand da als sei eine unerwartete Erscheinung vor seine lichtlosen Augen getreten. Er hielt die Arme halb ausgestreckt, und seine Nasenflügel zitterten unter der Hast, mit welcher er den Geruch der Canthariden einsog.
    »Paulin’,« rief er dann, beinahe laut jubelnd, »weißt’, wo wir sind?«
    »Im Sonnenthau!«
    »Ja, aber noch wo anders. Hier ist die Höhl’, in der ich geblend’t word’n bin.«
    »Ist’s wahr, Vater?« frug das Mädchen erschrocken.
    »Ja. Riechst net den Geruch, so fein wie Hollunder und so scharf dabei, daß es dem Kopf weh thut. Was mag das sein!«
    »Das sind die Käfer, Vater, die hier am Hollunder sitz’n; Tausend und aber Tausend sind’s, die bab’n den Geruch.«
    »Käfer? Also darum hab’ ich den Geruch net wieder gefund’n, obgleich ich später hier gewes’n bin! Die müss’n selt’n sein und kommen wol net alle Jahr’ herbei. Aber das ist die gerechte Vorsehung, die ihnen und mir gebot’n hat, nach dem ›Sonnenthau‹ zu gehn.«
    »Soll ich welchen pflück’n? Er steht in hellen Hauf’n hier.«
    »Nein, nein! Ich fühl’ net den geringst’n Schmerz mehr in den Aug’n; die Höhl’ will ich hab’n, die Höhl’ muß ich find’n, und Du mußt such’n, bis sie entdeckt ist.«
    »Aber wo, Vater?«
    »Hier in der Schlucht. Sie ist net groß und bald abgesucht. Es muß ein Loch geb’n, eine Oeffnung, die grad’ so groß ist, daß ich hindurchkriech’n kann. Such’ nur, von Schritt zu Schritt, von Zoll zu Zoll, hüb’n und drüb’n, doch net weit hinauf; es muß am Bod’n sein!«
    Das Mädchen hielt die Nachforschung mit der allergrößten Genauigkeit, während der fieberhaft erregte Vater das Resultat kaum erwarten konnte. Es war kein befriedigendes.
    »Es ist nix zu sehn, nix als Stein’ und Moos und Strauch und Farrenkraut.«
    »So ist der Eingang so versteckt, daß man ihn net bemerk’n kann; aber die Höhl’ ist da, ganz sicher da. Sie führt in die Seit’ hinein, und wenn man auf ihr steht, muß man den hohlen Ton bemerk’n. Jetzt führst’ mich empor zum Rand; ich selber werd’ ringsum untersuch’n!«
    Sie leitete ihn bis zur Kante der Schlucht empor; er schritt hart an derselben hin und stampfte von Schritt zu Schritt mit dem Fuße. Seine Vermuthung erfüllte sich schon nach kurzer Zeit; es erklang unter seinen Tritten, als stehe er über einem leeren Raume.
    »Hörst’, Paulin’, hier ist sie!«
    Er stampfte stärker.
    »Vater, um Gotteswill’n, Du fällst hinein!«
    Zur Herstellung der Höhle war eine kleine Seitenschlucht benutzt worden. Man hatte dieselbe mit jungen Stämmen überlegt und auf diesen von moosigem Rasen eine Decke hergestellt, welche stark genug gewesen war, jeden Darüberschreitenden zu tragen. Das war jedenfalls zu einer Zeit geschehen, an welcher »Im Sonnenthau« nur den Eingeweihten bekannt war. Während dieser langen Frist nun war das Holzwerk von der Fäulniß ergriffen und die Decke schadhaft geworden. Der Thorbauer brach hindurch.
    Der Fall konnte ihn nicht verletzt haben, denn im nächsten Augenblick frug er herauf:
    »Paulin’, wo bist’?«
    »Hier auf dem Dach. Hast’ Dich verletzt, Vater?«
    »Nein; es ist net tief.«
    Die Sorge um ihn hatte sie an den Rand des entstandenen Loches getrieben; da wich der Boden auch unter ihr; sie fiel zu ihm hinab. Beide waren im ersten Augenblicke ganz erschrocken darüber, fühlten sich aber durch die Bemerkung beruhigt, daß auch sie nicht den geringsten Schaden gelitten habe.
    »Nun, auf diese Weis’ ist’s gut, daß Du mit herunter bist,« meinte der Thorbauer. Schau, hier stoß’ ich an den Klotz, auf dem ich damals gesess’n hab’. Nun such’ einmal, wie es hier ausschaut!
    Die Decköffnung sandte genug Licht, um den ganzen Raum mit seinem Inhalt zu erkennen. Der hintere Theil war bis oben mit den verschiedensten Arten von Schmuggelgut angefüllt; an den Wänden hingen mehrere Schießgewehre; auch eine Lampe wurde entdeckt, und an der Erde stand en kleines Fäßchen, dessen Spund-und Zapfenloch zugesteckt waren.
    »Ist ‘was drin?«
    »Ja, es ist schwer.«
    Sie zog den Zapfen heraus; das Fäßchen fiel dabei um, und ein Theil seines Inhalts rieselte auf den Boden. Es war

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