Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Dukat’nhof.«
»Bleib’ draußen! Bei mir darf Niemand ein, und Du erst gleich gar net!«
»Mach’ nur immer auf. Ich hab’ Dir ‘was zu sagen!«
»Sag’s Andern! Von Dir mag ich gar nix hören!«
»Du wirst’s schon hören woll’n; es ist ‘was von der Anna.«
»Von der Anna? Was denn?«
»Laß mich nur erst ein, dann werd’ ich Dir es sagen.«
»Geh’ fort! Von Dir mag ich nix wissen, auch über die Anna net.«
»Es sind zwei Brief’ von ihr, die ich Dir bring’!«
»Zwei Brief’? Wer hat sie geschrieben?«
»Sie selber. Bitt’ schön, laß mich ein!«
»So komm’!«
Die Thüre wurde geöffnet. Im Flur war es dunkel, aber in der Stube brannten die beiden Kerzen zu Seiten des Tisches und ihr Schein fiel verklärend über das aufgeschlagene Bild der Verstorbenen.
Es war ein wichtiger, ein großer, ein entscheidender Augenblick für die beiden Männer, welche sich jetzt in dem ärmlichen Raume gegenüber standen oder vielmehr gegenüber kauerten. Die Augen des Köpfle-Franz funkelten glühend und voll unsagbaren Hasses auf den Zerstörer seines Lebensglückes, und es zuckte über seine Gestalt, als müsse er sich beherrschen, um nicht über ihn herzufallen. Aber je länger er ihn betrachtete, desto mehr verschwand der drohende Ausdruck seines Gesichtes, die Hände entballten sich und in ruhigerem Tone erklang es:
»Komm’ näher; hast nix zu fürcht’n!«
Graf’s Auge fiel auf das Bild.
»Darf ich hin?«
»Ja; aber net angreifen!«
Er schob sich an den Tisch; aber nicht lange hatte sein Blick auf den bekannten schönen Zügen geruht, so wandte er das Angesicht zur Seite und ließ den Kopf zur Erde sinken. Franz näherte sich ihm.
»Hast Du sie denn auch lieb gehabt?«
»Lieb gehabt?« frug Graf erstaunt. »Nein, net lieb gehabt hab’ ich sie, sondern wahnsinnig in sie bin ich gewesen, sonst wäre ich doch net das, was aus mir geworden ist! Aber sie hat mich net leiden mögen all’ ihr Lebelang, und da bin ich immer mehr auf die schlechte Seit’ gefallen, das Herz ist mir versteint und ich hab’ nur Gefallen gefunden an dem, was and’re Leut’ verdrossen und geärgert hat.«
»Sie hat Dich net leiden mög’n?« ertönte es hastig und mit zitternder Stimme.
»Nein, niemals, blos weil sie Dich lieb gehabt hat.«
»Mich lieb gehabt? Aber sie ist doch Deine Frau geword’n!«
»Weil sie gemußt hat. Als ihr Vater todt war, hat ihr die Mutter in den Ohren gelegen, weil der es um die Versorgung zu thun gewes’n ist. Und ich, ich hab’ Alles hervorgesucht, um ihren Willen zu brechen. Ich hab’ gesagt, daß ich im Mordloch gewesen bin und gesehen hab’, daß Du ihren Vater wirklich erschossen hast, und daß ich gegen Dich zeugen und schwören wolle, wenn sie net meine Frau werd’. Das hat geholfen. Um Dich zu retten hat sie endlich ›Ja‹ gesagt.«
»Um mich zu retten!« jauchzte Franz. Seine Liebe hatte im Laufe der Jahre eine vollständig ideale Richtung genommen; er dachte nicht an die bodenlose Schlechtigkeit, welche in dem Verhalten Heinrichs gelegen, dachte nicht daran, daß gerade dieser Beweis von Liebe ihn um ihren Besitz gebracht hatte, sondern er fühlte nur die furchtbare Last von sich genommen, welche der Gedanke, daß ihr Herz dem Dukatengrafen gehöre, auf ihn geworfen hatte. Unter ihrem Drucke hatte er mehr gelitten als unter der äußeren Verstümmelung, sie hatte auch die Kräfte seines Geistes gebrochen und ihn zu dem »Verrückten« gemacht, der von den Unverständigen verspottet und von den Einsichtsvollen bemitleidet wurde.
»Ja, nur um Deinetwillen. Sie hat mir das auch nie verschweigen mögen. Wenn Du unter den Bäumen gelegen bist, so hat sie im Garten gestanden und geweint und nach Dir hingeblickt, und wenn Du auf Reisen gewesen bist, so ist sie an Dein Haus gegangen und hat stundenlang vor Deiner Thür’ gesessen. Ich hab’s net leiden wollen, aber sie ist mir immer wieder entschlüpft, und da ihr euch dabei doch nie getroffen und gesprochen habt, so bin ich endlich auch darüber still geworden.«
Franz athmete förmlich jedes dieser Worte von den Lippen des Sprechers; seine Züge wurden hell und immer heller und in tiefen Stößen drang der Athem aus seiner sich erleichternden Brust.
»Da ist sie doch immer mein geblieben und gar niemals Deine Frau gewesen!« rief er mit freudestrahlendem Angesichte.
»Ja. Ich hab’ sie um ihr Glück betrogen und dabei ist mir Alles zum Unheil ausgefallen. Auf Dich wollt’ ich schießen und ihren
Weitere Kostenlose Bücher