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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Rückgabe verweigert und sie auch mit Niemanden zusammengelassen hat, so ist sie auf ein Mittel verfallen, mir dennoch das Meinige zu erhalten. So hat sie denn die ganze Sache niedergeschrieben und mit ihrer letzten Kraft das Papier mir in’s Gewand genäht, damit es später gefunden werden solle, und darauf ist sie gestorben. Nun hat Dein Vater mir mein Erbe gestohlen und nicht einmal das bischen Brod für mich gehabt, so daß ich versteigert worden bin wie ein Stück nichtsnutziges Gerümpel. Aber der liebe Gott hat’s besser mit mir gemeint und mich zu Leuten gebracht, die das Herz an der Stelle gehabt haben, wo bei den Kaiserbauern nur das böse Gewissen lebendig geworden ist. Er hat’s gefügt, daß die Schrift von dem Dieb selber ist verwahrt worden, ohne daß der es merken konnte, und daß ich heute grad dahin fassen mußte, wo sie verborgen war. Jetzt wird nun auch seine Drohung wahr: ›Er sucht die Sünden der Väter heim an den Kindern, auf die sie übergehn, bis in das dritte und vierte Glied‹. Dein Vater war der Stehler, Du bist der Hehler geworden, und nun schau zu, was weiter folgt!«
    Kaisers Züge waren bei dem Beginn dieser Rede schreckensbleich geworden; bald jedoch hatte er sich wieder gefaßt und entgegnete jetzt mit scheinbarer Ruhe:
    »Das ist ja der schönste Roman, Bonapart, den ich jemals vernommen hab’, und nicht wahr, den hast Du Dir blos deshalb erdacht, weil ich Dir heut in die Quere gekommen bin? Solch eine Schrift kann Jeder machen, der Anderen eine Grube bereiten will; die gilt nichts bei mir und nichts vor Gericht. Du machst mir gar nicht bange!«
    »Irr’ Dich nicht, Kaiser! Dein eigener Sohn und noch mehrere andere Zeugen sind dabei gewesen, als ich sie gefunden habe, und somit wird mir das Gericht schon glauben. Das Gewand ist nur in Deiner Hand gewesen, und Du wirst den Beweis gegen Dich selber doch wohl nicht hineingethan haben!«
    »Zeig her die Schrift!«
    »Die bekommst Du nicht! Bleib’ aber dort stehen, dann will ich Dir beweisen, wo sie gesteckt hat.«
    Er öffnete das wieder mitgebrachte Kinderkleidchen, zog an einer geschützteren Stelle desselben das Futter von dem Zeuge und brachte aus dem Verstecke ein feines, engbeschriebenes und zusammengefaltetes Blatt hervor.
    »Da schau’! Und auch das Verzeichniß ist dabei von dem, was sie Deinem Vater übergeben hat. Von dem Geld habt Ihr wohl den Hof gebaut, und der Schmuck, wer weiß, wohin der gerathen ist. Oder hast Du ihn vielleicht noch, Franzosen-Kaiser?«
    »Für den Schimpf gibst Du mir den Wisch!« klang es hastig. Mit einem raschen Schritte stand Kaiser vor Fährmann und faßte nach dem Papiere. Der Letztere zog es zurück, wurde aber von den Armen des Bauern so fest umschlungen, daß er sich nicht zu bewegen vermochte. »Her mit dem Zettel, sag’ ich; Du kommst mir nicht los, bis er zernichtet ist!«
    »Und Du bekommst ihn nicht, und sollt’ es mein Leben kosten!« stieß Fährmann keuchend aus der zusammengepreßten Brust hervor. Sie rangen mit Anstrengung aller ihrer Kräfte; Kaiser war stärker als sein Gegner und dieser merkte, daß er in’s Wanken komme. Er konnte nicht mehr schreien, faßte aber instinktiv nach einem Halt und – fühlte sich im nächsten Augenblicke aus der gefährlichen Umschlingung befreit. Er hatte die Gewichtsschnüre der neben ihm hängenden Uhr ergriffen und diese letztere von der Wand gerissen; Kaiser war von ihr an die Schläfe getroffen worden und besinnungslos zu Boden gesunken. Das alte Erbstück lag zerbrochen neben ihm; der Kasten war aus den Fugen gegangen und ließ das verborgene Fach sammt dem nun bloßgelegten Inhalte sehen.
    Fährmann gewahrte diesen seltenen Inhalt und hob, von einer plötzlichen Ahnung getrieben und den regungslos auf dem Fußboden liegenden Kaiserbauer darüber vergessend, eines der zierlichen Etuis auf. Es öffnend, entdeckte er eine kostbare goldene Uhr an einer ebenso werthvollen Kette. »Ist’s denn möglich? Das ist ja die Kette und Uhr, die auf dem Papier verzeichnet steht! Laß schnell weiter sehen!«
    Er kniete nieder und öffnete mit zitternden Händen die Hüllen. Sie enthielten die sämmtlichen Schmuckgegenstände, welche die Verstorbene ihrem verlassenen Kinde hatte retten wollen; kein einziger fehlte, denn die Angst vor einer Entdeckung hatte die beiden Kaiserbauern von einem Verkaufe abgehalten.
    Da ging die Thür auf und der Steinmüller trat ein. Mit einem raschen Blicke hatte er die Situation erfaßt.
    Er hatte Wilhelm

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