Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Angelegenheit die Meinung des Vaters in möglichster Entschiedenheit und Kürze mitgetheilt zu erhalten, jetzt aber lag in Blick und Ton desselben eine Herzlosigkeit, die ihn empörte und jede Nachgiebigkeit von seiner Seite vollständig unmöglich machte.
»Ist dies Dein letztes Wort, Vater?«
»Mein letztes Wort!«
»Und ist an dieser Wahl nichts mehr zu ändern?«
»Nicht eine Silbe und nicht ein einziger Buchstab’!«
»So will ich noch einmal bitten, Vater, das letzte Mal! Dein Herz kann doch nicht ganz zu Stein geworden sein, und wenn –«
»Laß das Geschwätz! Du hast gehört was ich will, also wähl’: Die Gret’ und den Hof oder den Weg aus dem Hause!«
»Du willst’s, Vater, und des Menschen Wille ist sein Himmelreich, aber oft auch seine Hölle. Mag Dir das Letztere niemals zutreffen! Ich laß den Hof sammt eurer Gret’ und geh in die Fremde. Leb’ wohl, Vater!«
Er sprach es mit bebender Stimme und unter hervorbrechenden Thränen, indem er langsam herzutrat und die Hand zum Abschiede bot. Eine solche Festigkeit hatte Kaiser nicht erwartet; aber statt ihn zur Erkenntniß zu bringen, steigerte sie vielmehr seinen Zorn bis zu einem Grade, der fast Wuth zu nennen war.
»So fahr’ denn hin, aber bleib’ mir ja mit Deiner Hand vom Leibe! Und wenn Du mir jemals wieder den Hof betrittst, so wirst Du hinausgejagt, das merke!« Er riß einen Schrank auf, wühlte in alten Wäsch-und Kleidungsstücken herum, welche den Boden desselben bedeckten, und brachte eine zusammengebundene Rolle hervor. »Damit Du aber nicht ganz und gar leer von dannen schleichst, so will ich Dir das Erbe vom Bonapartenschuster mitgeben. Die Fetzen sind zurückgeblieben, als er versteigert worden ist! Nun aber marsch!«
»So leb’ denn wohl, Vater, und laß Dich nie gereuen, was Du an mir thust!« sagte Wilhelm tief bewegt, indem er das Packet an sich nahm und damit hinwegschritt.
Als die Thüre sich hinter dem Fortgehenden geschlossen hatte, ließ sich Kaiser langsam auf den Stuhl nieder. Es war ganz anders gekommen, als er sich gedacht hatte. Nur allein von der Habsucht war er mit dem Müller zusammengeführt worden; dann hatte die Sorge um die Sicherheit ihm den Gedanken an eine Verbindung zwischen der Tochter desselben und seinem Sohne eingegeben, und diese Sorge war es auch gewesen, die ihn so schroff und starr gegen Wilhelm auftreten ließ. Der letzte Trumpf, auf den er sich verlassen hatte, war nun erfolglos ausgegeben und es klangen ihm die Worte ›am besten ist’s immer, man zeigt so ‘was gleich selber an‹ gar ernst und drohend an das Ohr. Lange Zeit saß er so sinnend da, schlimme Befürchtungen stiegen in ihm auf und er fand kein Mittel, sie von sich abzuweisen. Gewiß war schon eine Stunde seit dem Weggehen Wilhelms verflossen – der Kaiserbauer überhörte das Oeffnen der Thüre und fuhr erst bei dem Klange einer bekannten Stimme aus seinem Brüten auf:
»Wach auf, Kaiser! Du hörst’s wohl gar nicht, daß man klopft und grüßt?«
»Was willst Du, Bonapartenschuster, – was hast Du in meinem Hause zu suchen!«
»Dich such ich. Aber laß das Schimpfen; ich warne Dich nicht zum dritten Mal! Der Wilhelm ist bei mir; er hat mir von Dir das Gewand gebracht, worein ich gekleidet war, als die Mutter mit mir in’s Dorf gekommen ist. Warum hast Du es nicht behalten?«
»Was soll ich mit den Lumpen thun? Dir sind sie wohl nöthiger als mir!«
»Da hast Du Recht, Kaiserbauer! Diese Lumpen sind mir nöthig gewesen schon lange, lange Zeit, und ich gäb’ viel darum, wenn ich sie früher gehabt hätte, denn ich habe in ihnen das gefunden, wornach mein Trachten ging so lang ich lebe. Schau her, ich will Dir’s zeigen!«
»Pack Dich schnell mit Deinem Kram hinweg!«
»Ganz wie Du willst! Ich wollte das Packet auf das Amt tragen, um mein Eigenthum von Dir zu fordern; aber der Wilhelm hat auch die Schrift gelesen, die zwischen dem Futter eingenäht war, und er hat mich um Gnade für Dich gebeten. Ich hab mich überwunden und ihm den Wunsch erfüllt, doch wenn Du selbst es anders willst, so kann ich auch wieder gehn. Behüt Dich Gott, Kaiserbauer!«
»Halt, Fährmann! Was meinst Du für ein Schreiben! Zeig’ es her!«
»Das bekommst Du jetzt nimmer in die Hand, aber sagen kann ich Dir’s genau. Meine Mutter hat damals gefühlt, daß sie auf den Tod krank war und Deinem Vater all ihr Hab und Gut übergeben, um es für mich aufzuheben. Ihr Vertrauen ist aber bald wieder geschwunden und da er ihr die
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