Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
gern!« Ihr Auge hob sich und suchte wie bittend das seine. »Ich hab’ gehört, was der Vater sagte, und – und –«
»Und wolltest wieder gut mach’n, was er Böses gesproch’n hat?«
»Ja; aber bitt’, nehmt mir’s net übel!«
»Wie könnt’ ich Dir darüber zornig sein, Kathrin’? Ich hab’ Dich noch gar net gekannt, und vielleicht bist Du besser als Dein Vater. Du bist aan unschuldig Blut und kannst ja nix dafür, daß er so große Feindschaft hegt. Hab’ Dank für Deine gute Red’ und bleib’ immer so brav, wie Du jetzt alleweil bist!«
Er reichte ihr die Rechte über den Zaun hinüber und wendete sich dann zum Gehen. Sie blickte ihm nach, so lange sie es vermochte, und athmete dann, während ein zufriedenes Lächeln um den kleinen Mund spielte, tief und erleichtert auf.
»Endlich hab’ ich’s ‘mal gewagt! Sie sind alle so schlimm mit ihm, und er ist doch so still und gelass’n dabei. Vielleicht ist gar nix wahr von Dem, was die Leut’ von ihm sag’n, und der Gustav – der Gustav ist ganz gewiß auch lieb und gut, obgleich er g’rad’ so finster d’reinschaut wie sein Oheim und kaan and’rer Bursch’ ‘was von ihm wiss’n mag!«
Sie zerpflückte sinnend die Blume, welche sie von der Frühkirche her noch am Busen stecken hatte.
»Wenn man nur ‘mal mit ihm sprech’n könnt’! Aber ich hab’ noch niemals net geseh’n, daß er mit irgend wem geredet hätt’, und auf dem Tanz, da ist er erst recht nimmer zu erblick’n. Es ist nur gut, daß der Vater gleich in die Stub’ gegangen ist und net hat sehen können, daß ich mit dem Tannenbauer Zwiesprach’ gehalt’n hab’. Wo der nur hingeh’n wird? Er kommt kaum alle Jahr’ ‘mal in das Dorf, und dann wird irgend ‘was hervorgesucht an dem er schuld sein soll!«
Auch Der, nach dem sie sich fragte, konnte seine Gedanken nicht von der unerwarteten Begegnung wenden. Was hatte die Tochter seines Todfeindes veranlaßt, ihn zu grüßen? War es wirklich bloß die Absicht, die Härte ihres Vaters zu mildern? Er hatte sie noch niemals gesehen oder wenigstens ihr bei einer etwaigen Begegnung keine Beachtung geschenkt, und jetzt stellte sie sich ihm auf einmal so freundlich und versöhnend gegenüber. Das müßte wohl einen besonderen Grund haben. Die milde Erscheinung mit dem flehenden Auge hatte ihm, dem Gemiedenen, wohlgethan; er sann und sann im Vorwärtsschreiten und fuhr fast erschrocken auf, als er hinter sich eine rufende Stimme vernahm:
»Was ist’s denn, Haubold, daß Du vorübergehst? Ich denk’, Du willst zu mir!«
Er wendete sich zurück und trat auf den Sprecher zu. Dieser hatte schon längst wartend am geöffneten Thore gestanden, dessen altersschwarze Flügel mit drei weißen, riesigen Kreuzen bemalt waren, und hielt ihm jetzt mit sichtbarem Widerstreben die Hand entgegen.
»Ach so, ja; ich war in Gedank’n und hab’ da gar net bemerkt, daß ich schon bei Dir bin. Aber behalt’ Deine Hand; Du giebst sie mir doch net gern!«
Sein Blick fiel auf die zur Abwehr bestimmten frommen Zeichen.
»Was sollen denn die Kreuz’ bedeut’n?«
»Denk’ ja net etwa, daß es weg’n Dir ist!« lautete schnell die vorbeugende Antwort. »Es ist mir ‘was Heimlich’s über meinen Stall gerath’n, und da hab’ ich die Kreid’ genommen und die heilige Dreifaltigkeit ans Thor geschrieb’n. Ich denk’, der Knecht hat Dir’s erzählt!«
»Schon gut! Ich waaß genau, woran ich mit Euch bin. Ihr seid Aaner so dumm und ungut wie der Andere, sinnt Euch allerlei Fixfaxerei aus über mich und macht Euch einander den Unsinn so lang’ weiß, bis Ihr endlich selbst an Eure eig’nen Lüg’n glaubt. Und wenn Ihr dann den Karr’n ‘mal tief hineingeschoben habt, so bin ich gut genug, ihn wieder ‘rauszuzieh’n. Ihr seid all’ nix werth, kaan’n Kreuzer und kaan’n Pfennig! Was ist’s denn, daß Du so pressant nach mir geschickt hast?«
»Ja, denk’ Dir nur, heut’ früh komm’ ich in den Stall, da liegt die Scheck’ am Bod’n und daneben auch die Kalbe, alle beide todt. Ich schick’ sogleich zum Thierarzt, und als der ‘kommen ist, hat er dagestand’n, das Sacktuch vor die Nas’ gehalt’n und weder Rath noch That gewußt. Und der ist doch aan Studirter; er hat zwar kaane gelehrte Schul’ besucht wie Du, als Du Student warst, aber er hat heid’nmäßig viel Bücher und alte, gute Schrift’n, und in denen hat er heut’ nachgeschlag’n und gefund’n, daß mein Stall verhext ist. Er selber kann dageg’n
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