Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
fortgehen sehen und erkannt, daß die geplante Heirath nun nicht zu Stande komme; hier lagen jetzt die verhängnißvollen Schmucksachen zerstreut auf dem Fußboden, kam das Gesinde dazu, so war öffentlich bewiesen, daß der Bauer ein Dieb und Hehler sei, und das bot ihm für die erlittene Enttäuschung wenigstens eine Rache, die er sich nicht versagen konnte. Seine Stimme drang schallend hinunter in den Wohnraum, aus welchem, die Bäuerin voran, alle darin Befindlichen herbeieilten.
Seine Absicht wurde jedoch von Fährmann durchkreuzt. Dieser schlug die Thür zu und trat den Leuten entgegen.
»Geht nur zurück! Den Bauer hat eine Schwäche überfallen und nur die Frau darf hinein.«
Die ruhige Mahnung genügte, denn der Schuster war Allen als ein unbescholtener und braver Mann bekannt, dem man vertrauen konnte. Sie zogen sich schweigend zurück und der Müller folgte ihnen; es fehlte ihm die nöthige Entschlossenheit, die eingeleitete Rache auch auszuführen. –
Drüben im kleinen Häuschen saßen drei Personen und warteten mit ängstlicher Sorge auf die Rückkehr Fährmann’s. Schon brach die Dämmerung herein und noch immer kam er nicht. Das breite Thor des Kaiserhofes öffnete sich und ließ den Wagen des Müllers hindurch. Die Brautschau war vorüber und Niemand rief den zwei Scheidenden ein freundliches Abschiedswort nach. Da kam einer der Knechte langsam über die Straße und blickte durch das offene Fenster in die Stube.
»Bist Du noch hier Wilhelm?«
»Ja. Was soll’s?«
»Sollst gleich zum Vater kommen und die Bertha mit der Mutter zur Bäuerin. Es muß ganz ‘was Absonderlichs geben. Der Müller wollte mit seiner Puppe nicht fort; er schwatzte viel unverständiges Zeug vom Gericht und vom Rubin und Diamant, es konnte kein Mensch daraus klug werden, und da hat ihn der Bauer endlich gar hinausgejagt. Mach schnell! Ich glaube, der Vater hat geweint, der Fährmann auch, und die Mutter sitzt noch jetzt am Herd und wischt sich die Augen.«
Das waren gute Zeichen. Mit klopfendem Herzen eilte Wilhelm den beiden Anderen voran und trat nach wenigen Augenblicken in dieselbe Stube, in welcher ihn der Vater vor so kurzer Zeit vom Hofe verwiesen hatte.
Dieser saß an der Seite des Schusters auf dem Kanapee und hielt die Kreide in der Hand. Die Tischplatte vor ihm war mit Zahlen beschrieben.
»Geh’ her, Wilhelm, ich hab Dir ‘was zu sagen!« sprach er mit mattem Lächeln. »Du bist heute widerständig gewesen gegen meinen Willen; ich will dennoch versuchen, ob Dir wirklich mein Befehl nichts gilt. Du hast geglaubt, daß wir reich sind; es ist aber nicht wahr. Mein Vater hatte ein großes Kapital geborgt vom Fährmann und den Hof davon gebaut. Wie das zugegangen ist, das wirst Du später schon noch erfahren. Jetzt nun ist die Summe mit den Zinsen so hoch angewachsen, daß mir kein Stein vom Hof verbliebe, wenn ich sie zurückzahlen sollte. Der Peter ist nicht so arm wie Du denkst; er braucht das Geld jetzt nimmer und will’s der Bertha zur Beigabe schenken, wenn sie heirathet. Ich mag aber die Schande nicht erleben, daß ich vom Kaiserhof weg muß, und darum befehle ich Dir jetzt, daß Du die Bertha zur Frau nimmst. Mit der Gret’ hast Du Recht gehabt, Wilhelm, mit der ›Schusterpupp’‹ aber will ‘mal ich Recht behalten!«
»Vater – – –!«
»Mach’s kurz! Willst Du oder willst Du nicht?«
»Ob ich will! Mit tausend Freuden! Sie ist unten bei der Mutter. Darf ich sie herbeiholen?«
»Ja geh’ und bring’ sie.«
Schnell wie der Wind war er zur Thür hinaus.
»Hier hast Du meine Hand, Kaiserbauer,« meinte Fährmann; »Du hast die Probe bestanden und sollst nun auch mit mir zufrieden sein!«
»Was wirst Du denn nun jetzt beginnen? Dein Vater muß ein gewaltig großer Herr gewesen sein; denk’ nur an das Wappen auf dem Ring und an der Berloque! Willst Du nicht nachforschen nach der Familie, zu der Du gehörst?«
»Nein. Die Mutter hat auf ihrem Todtenbette den Zettel nicht ganz bis zu Ende fertig gebracht und den Namen nicht mehr hinzufügen können; gewiß fühlte sie, daß es zu Ende ging und hat nur noch mit letzter Kraft das Papier in mein Gewand genäht, und auf dem Wappen ist auch nichts zu lesen. Ich bin und bleibe der Schuster Fährmann und passe nicht unter vornehme Leute! Zufriedenheit ist mehr werth als äußerer Schein, und ein Schuster, der seine Pflicht erfüllt, ist auch nichts Schlechteres als ein Graf, der das Seinige versteht. Ich bleibe in meinem
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