Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
hat mehr Sorg’ und Arbeit in der kleinen Fingerspitze, als in der ganzen Gret’ zu finden ist!«
»Dann laß aber sofort gleich los, sonst helf’ ich nach!« drohte der ergrimmte Bauer, und als dem Befehle nicht augenblicklich Folge geleistet wurde, griff er zu und versuchte, die Beiden aus einander zu reißen. Bertha schrie laut auf unter dem Drucke seiner rücksichtslosen Hand.
»Vater, ich bitte Dich, geh’ nicht zu weit! Schlag’ auf mich, so viel Du Lust hast, ich werde mich nicht dagegen wehren, denn ich bin Dein Sohn, aber das Mädchen laß in Ruh’!«
»Wie –? Du willst mir gar noch drohen, mir, dem Vater?! Gib die Bettelbonapartin los, sag’ ich, oder ich schlag’ euch Beide zu Boden!«
»Nein, das soll nicht geschehen; vor dem kann ich Dich noch behüten, Vater!« Er gab die zitternde Geliebte frei. »Geh’ nach Hause, Bertha, und grüß’ mir die Eltern; ich werde noch heute mit ihnen sprechen!«
»Das sollst Du mir nur wagen!« herrschte Kaiser ihm zu. »Da hab’ ich auch ein Wort darein zu reden und Du sollst sehen, was ich dann thu’!«
»Ich werd’s zu tragen wissen; aber die Gret’ zwingst Du mir nicht auf! Leb’ wohl, Müller; wir sind mit einander fertig!«
Er ging; auch Bertha war schon längst hinter den hohen Getreidehalmen verschwunden.
»Hast’ so ‘was für möglich gehalten, Steinmüller? Ich hab’ den Bursch noch niemals so gesehen; aber es wird sich schon zeigen, wessen Kopf der härteste ist!«
»Sie sind gleich hart, Kaiserbauer, dies hab’ ich ganz zur Genüge bemerkt,« antwortete der Müller kalt. »Du wirst nicht weichen und er wird nicht weichen; so fahrt ihr erst noch ‘mal recht zusammen und dann für immer aus einander. Aber das kann weder Dir noch mir ‘was nützen. Ich brauch’ mein Kind gar Niemanden an den Hals zu werfen. Komm fort! Ich fahre nach Haus, um mir das wegen der Steine noch zu überlegen. Die Sache hat ihre zwei Seiten, und wenn sie vor’s Gericht käm’, so wär’s um mich geschehen. Am besten ist es immer, man zeigt so ‘was gleich selber an, eh’ man sich in Gefahr begibt!«
»Steinmüller!« rief Kaiser voll Schreck und Besorgniß.
»Ja, so ist’s!« antwortete dieser mit nachdenklichem Kopfnicken.
Der Bauer blickte verlegen vor sich nieder und schritt schweigend an seiner Seite hin. Beim Hofe angekommen blieb er stehen.
»Hör’, Müller, wenn Du Dich auf die schlechte Seite legen willst, so kannst Du doch nichts ausrichten; mir kann ja nichts bewiesen werden, da Du keine Zeugen hast. Aber so weit soll’s auch gar nicht kommen! Ich nehme den Wilhelm jetzt gleich noch ‘mal vor und Du wirst sehen, daß er sich fügen muß. Ich bin schon noch der Mann, den Trotzkopf gefügig zu machen!«
3.
Wilhelm kehrte von seinem Gange zu Bertha’s Eltern soeben in den Kaiserhof zurück, wo seine Mutter schon in lebhafter Besorgniß auf ihn wartete.
»Ja, Mutter, ich war drüben,« erwiederte er auf ihre Frage. »Aber weine doch nicht, vielleicht gibt der Vater noch nach! Mag’s kommen, wie es will, ich bin Dir doch nicht verloren.«
»Und was hat Fährmann gesagt?«
»Ich wär’ ein braver Bursch’ und ihm schon recht und lieb als Schwiegersohn, wenn ich arm wär’ und nicht der Sohn vom Kaiserbauer.«
»Und was wirst Du nun thun, wenn Du jetzt hinaufkommst zum Vater?«
»Das wird sich ganz nach dem richten, was er von mir fordert. Ich will nicht dringlich sein mit der Bertha; die Zeit wird schon das ihrige thun; aber er soll mich auch mit der Gret’ nicht treiben!«
»So geh’! Er wartet schon lang auf Dich.«
Als Wilhelm bei dem Bauer eintrat, befand sich derselbe sichtlich in einer gereizten Stimmung.
»Warum kommst Du nicht, sobald ich Dich rufen laß? Oder soll ich etwa gar den Herrn Sohn um Audienz bitten, wenn ich mit ihm zu reden hab’?«
»Ich war nicht zu Haus’ und hab’ erst jetzt erfahren, daß ich zu Dir kommen soll.«
»Wo bist Du gewesen?«
»Beim alten Fährmann.«
»Da bist Du gewesen? Also doch!« rief er, während die Adern an seiner Stirn dunkler hervor traten. »Was hattest Du denn dort zu schaffen?«
»Nicht viel. Ich hab’ gesagt, daß ich die Bertha will.«
»Und was hat der Bonapartenschuster dazu gemeint?«
»Er sagte, die Sache hätte noch viel Zeit.«
»Da ist er klüger als ich dachte! Die Sache hat nicht allein noch viel Zeit, sondern sie ist überhaupt ganz unmöglich. Du heirathest die Gret’; ich hab’s gesagt und dabei bleibt’s!«
Wilhelm war gewohnt, in dieser
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