Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
langen Weg auf sich, nur um nicht nach England zurückkehren und sich mir und seinen Verlusten stellen zu müssen.« Er lächelte Ida an und strich beim Sprechen leicht über ihren Rock.
Sie fragte sich, ob von ihr ein zustimmendes Nicken oder eine geistreiche Bemerkung erwartet wurde. Zögernd meinte sie:
»Sire, vielleicht hat er sich um seines Seelenheils wegen auf einen Kreuzzug begeben.«
Henry schnaubte.
»Hugh Bigod hat keine Seele. Sollte er je eine gehabt haben, hat er sie schon vor Jahren an den Meistbietenden verkauft.« Er winkte geringschätzig ab. »Wenn an diesen Gerüchten etwas Wahres ist, dann sollen die Sarazenen ihn niedermetzeln, aber angesichts der Verfassung, in der ich ihn in Sileham gesehen habe, bezweifle ich, dass sie in den Genuss dieses Vergnügens kommen.«
Ein Haushofmeister verneigte sich vor ihnen und teilte ihnen mit, dass das Essen aufgetragen sei. Henry nickte und bat Ida, seinen Fuß von dem Schemel zu heben und ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Er stützte sich auf sie. Einen Moment lang ruhte seine Hand auf ihrer Taille, und sein Blick wanderte über ihre Brüste. »Wir werden uns bald wieder unterhalten«, sagte er. »Ich habe Eure Gesellschaft sehr genossen und werde nicht zulassen, dass diese Blume fern von mir erblüht.«
Als er sich abwandte, um seinen Platz am Kopf der Tafel einzunehmen, knickste Ida vor ihm und verbarg ihre Hände unter ihrem Umhang, damit niemand bemerkte, wie sie zitterten.
Als Ida an diesem Abend zu Bett gehen wollte, kam John Fitz-John, der Hofmarschall des Königs, mit der Botschaft an ihre Kammertür, dass der König mit ihr über ihre Vormundschaft und eine mögliche Heirat zu sprechen wünsche.
Idas Zofen begannen rasch, sie wieder anzukleiden, denn einem Befehl des Königs leistete man Folge, vor allem, wenn er von einem so hochrangigen Mann wie dem Marschall überbracht wurde, selbst wenn es schon spät war und der größte Teil des Hofes sich zurückgezogen hatte.
»Nun«, keuchte Bertrice atemlos, während sie Idas Gewand zuschnürte, »wie es aussieht, habt Ihr einen König erobert.«
Ida erschauerte. Sie kam sich nicht so vor, als sei sie diejenige, die eine Eroberung gemacht hatte.
»Was soll ich jetzt tun?«
Bertrice beendete ihr Werk.
»Betrachtet es als einmalige Gelegenheit. Seit Rosamund de Clifford im Frühjahr gestorben ist, hat er keine Mätresse mehr gehabt.«
Ida starrte die Zofe entgeistert an.
»Du meinst doch nicht im Ernst, dass ich mich ihm hingeben soll?«
Ein wissender Ausdruck trat in Bertrice’ Augen.
»Meine Liebe, wenn Ihr nicht den Rest Eures Lebens mit einem Tölpel verbringen wollt, den er aus Ärger über Eure Zurückweisung für Euch ausgesucht hat, dann solltet Ihr Euch heute Nacht seinen Wünschen fügen. Und dann könnt Ihr von ihm haben, was Ihr wollt. Eine Frau, die die Gunst des Königs genießt, verfügt über Macht, mit der man rechnen muss.«
Ida spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg.
»Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich mein schäbigstes Gewand angezogen und mich eine Woche lang nicht gewaschen.« Sie sah ihre Zofen strafend an, denn sie waren es gewesen, die darauf bestanden hatten, dass sie sich so vorteilhaft wie möglich herrichtete. »Dann hätte er keine Notiz von mir genommen.«
»O doch, das hätte er, Herzchen. Reines Gold ist und bleibt reines Gold.« Bertrice holte einen Kamm, zog ihn durch Idas braunes Haar und flocht es zu einem dicken Zopf.
»Wenn der König befiehlt, müsst Ihr gehorchen«, mischte sich Goda ein. »Bertrice hat Recht. Wenn Ihr tut, was er sagt, werdet Ihr große Macht erlangen.«
Hinter der Tür ertönte ein ungeduldiges Räuspern.
»Seid Ihr bereit, Mylady?«, erkundigte sich der Marschall.
Ida sah sich im Geiste unter dem Bett verkriechen oder aus dem Fenster klettern, wusste aber, dass es kein Entkommen gab. Vielleicht wollte Henry wirklich nur mit ihr über ihre Vormundschaft sprechen – an diesen Strohhalm klammerte sie sich. Sie holte tief Atem, hob den Kopf und ging zur Tür. Der Marschall verneigte sich vor ihr und hob seinen goldenen Amtsstab. Seine Miene blieb vollkommen ausdruckslos.
»Soll ich eine meiner Zofen mitnehmen?«, wagte sie einen Vorstoß.
»Nein, Demoiselle, das wird nicht nötig sein.«
Er hatte einen jungen Mann bei sich, der ihnen mit seiner Laterne den Weg durch Gänge und Treppen hinauf zu den königlichen Gemächern beleuchtete. Der hochgewachsene Marschall bewegte sich mit den weit ausgreifenden
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