Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
meinte Goda optimistisch. »Da empfiehlt es sich, einen guten Eindruck zu machen, nicht wahr, Mistress?«
Ida errötete und bemühte sich, still zu stehen, während die beiden Frauen ihre Toilette beendeten. Sie wusste, wie sehr sie darauf bedacht waren, dass der König von ihr entzückt war, weil das dafür sprach, wie fürsorglich sie sich um ihre Schutzbefohlene kümmerten. Ida wollte dem König gleichfalls gefallen, um ihret-sowie um ihrer selbst willen, und außerdem war es möglich, dass, wie die beiden gesagt hatten, manche Männer
bei Hof Ausschau nach einer Frau hielten. Obwohl sie noch nicht viel von der Welt wusste, waren Ida die abschätzenden Blick vieler Höflinge schon aufgefallen – die Art, wie ihre Augen auf ihren Lippen und ihren Brüsten ruhten. Diese Aufmerksamkeit erzeugte ein warmes Gefühl in ihrem Inneren, auch wenn sie sie gleichzeitig erschreckte. Irgendetwas sagte ihr, dass es hier um Macht und Gefahr ging, und beides war Neuland für sie.
Ein Zeremonienmeister erschien, um sie in die große Halle zu geleiten, wo sie zusammen mit anderen Mündeln und Bittstellern vor dem Essen dem König vorgestellt werden sollte. Goda zupfte ein letztes Mal an Idas Gewand herum, legte ihr einen mitternachtsblauen Umhang um die Schultern und schloss ihn mit zwei runden goldenen Schnallen.
»Viel Glück, Mistress«, flüsterte sie.
Ida lächelte ihren beiden vor ihr knicksenden Zofen zu, holte tief Atem und verließ den Raum.
In der großen Halle hieß man sie, zusammen mit einigen anderen Frauen in prächtigen Kleidern zu warten. Da sie abgesehen von einem jungen Mädchen, gleichfalls ein königliches Mündel, die Jüngste war, hatte man ihr einen Platz am Ende der Reihe zugewiesen. Jedes Mal, wenn sie Atem holte, stieg ihr der Geruch von Rosenwasser, Schweiß und Wolle in die Nase. Sie faltete die Hände vor sich, um nicht nervös an ihnen herumzunesteln wie manche andere, und hielt den Blick bescheiden gesenkt, obwohl sie ab und an unter ihren Lidern hervorspähte, um zu sehen, was sich um sie herum abspielte.
Für die Hauptmahlzeit des Tages waren zahlreiche Tische aufgestellt worden. Einer davon stand auf einem Podest und war mit einem weißen Leinentuch und silbernen, teils mit Juwelen besetzten Platten und Bechern gedeckt. Zwei Küchenjungen waren damit beschäftigt, Brot in längliche Scheiben zu
schneiden, die als Unterlage für das Fleisch dienen sollten. Andere Dienstboten stellten Weinkrüge auf einen kleinen Tisch. Trotz ihrer Nervosität war Ida hungrig. Sie hoffte nur, ihr Magen würde nicht gerade dann knurren, wenn sie vor dem König knicksen musste.
Als Henry endlich kam, stürmte er förmlich in die Halle und ließ der wartenden Gruppe kaum Zeit zum Knicksen und Niederknien. Sein kastanienbraunes Haar war kurz geschnitten und weder eingeölt noch gekräuselt, seine Kleider wirkten im Vergleich zu denen seiner Gäste geradezu schlicht. Wenn man Ida nicht vor seinem Hang zum Praktischen gewarnt hätte, hätte sie ihn für einen Bediensteten und seinen in eine scharlachrote Tunika gehüllten Hofmarschall mit dem goldenen Amtsstab in der Hand für den König gehalten.
Unter gesenkten Wimpern hervor verfolgte sie, wie Henry die Reihe der Wartenden abschritt und mit jedem ein paar Worte wechselte. Seine Stimme klang rau, als habe er Rauch eingeatmet, aber er sprach freundlich und nahm allen die Befangenheit. Obgleich er so stürmisch in die Halle geeilt war, schien er leicht zu hinken, und sie fragte sich, ob seine Schuhe wohl drückten. Sie bemerkte auch einen Kratzer auf seinem rechten Handrücken, der aussah, als stamme er von einem Falken oder einem Hund. Zahlreiche Ringe schmückten seine Finger. Ab und an zog er einen davon ab und machte ihn jemandem zum Geschenk. Vermutlich besaß er für solche Gelegenheiten eine ganze Truhe davon. Und sicher trug er sie nicht, um die Schönheit seiner Hände zu betonen, die so rau und rissig waren, als habe er den ganzen Tag schwere körperliche Arbeit geleistet.
Seine Augen wanderten zu ihr, als er mit dem jungen Mädchen neben ihr sprach. Ida, die im selben Moment aufsah, war kurz in seinem Blick gefangen, der so klar und hell war wie von der Sonne beleuchtetes Gras. Hastig schlug sie die
Lider nieder, überzeugt, er würde sie für keck oder schlecht erzogen halten.
»Ida de Tosney«, verkündete der Marschall. Ida knickste erneut, dabei konzentrierte sie sich auf die feinen Stiche am Saum ihres Kleides. Dann spürte sie, wie ein Finger
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