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Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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waschen. Jetzt waren es die Hände eines Mannes – vernarbt,
erfahren und nicht mehr für den Griff einer Mutter bestimmt, sondern darauf wartend, dass eine Frau und später die kleinen Händchen einer neuen Generation nach ihnen griffen.
    »Ja«, sagte sie leise. »Ich verstehe. Wo solltest du auch sonst hingehen, wenn du nicht an einen Neuanfang glauben würdest?«

    Roger erreichte die Burg Framlingham kurz vor dem Baumeister Ailnoth und seinen Männern. Die Sonne stand tief am Horizont, und ein heißer Sommertag hatte einen Hitzeschleier über das Land gelegt, sodass die zum Abriss bestimmten Holzpalisaden angestaute Wärme verströmten. Roger übergab seine Pferde einem Stallburschen und ließ einen Diener sein Gepäck in die Halle schaffen, wohin er auch sein Gefolge schickte. Dann stieg er zusammen mit Anketil auf die Mauer und betrachtete den Sonnenuntergang.
    Er hatte seiner Mutter gesagt, er wolle ein Zelt aufstellen, und hatte auch genau das vorgehabt, um Anspruch auf sein Erbe zu erheben, aber dann hatte sich Henry erstaunlich gnädig gezeigt. Morgen würde das Zerstörungswerk beginnen, aber Ailnoth und seine Gehilfen hatten Anweisung, die steinerne große Halle, die Kapelle, die Küchen, Ställe und Nebengebäude nicht anzurühren. Abgerissen werden sollten nur die Brustwehr, der Torhausturm, die Erdwälle und die Verteidigungsanlagen – alles, was Framlingham zu einem Bollwerk machte. Aber wenigstens blieb ihm ein Ort, an dem er leben konnte. Schon allein dafür war er dankbar.
    Sein Vater war nach seiner Kapitulation keinen Moment länger als nötig im königlichen Lager geblieben. Nachdem er mit einer Stimme, in der keinerlei Emotionen mitschwangen, auf alle Bedingungen eingegangen war, war er aufgebrochen, um mit seinen Söldnern das nächste Schiff nach Flandern zu nehmen. Seinen ältesten Sohn hatte er keines Blickes gewürdigt, als könne
er seine Existenz auslöschen, indem er ihn überhaupt nicht zur Kenntnis nahm. Roger seinerseits hatte nur einen geschlagenen, äußerst verbrauchten alten Mann gesehen, der nur noch von seiner Bitterkeit und seiner Gehässigkeit zehrte.
    »Mein Vater wollte nicht mit ansehen, wie all dies niedergerissen wird.« Roger presste die flache Hand auf das sonnenwarme, jetzt im Schatten liegende Eichenholz. »Aber dafür muss es einen Zeugen geben. Jemand muss zusehen und sich den Konsequenzen stellen.« Er drehte sich mit entschlossener Miene zu Anketil um. »Und jemand muss das alles wieder aufbauen.«
    »Sir?«
    »Wenn man fällt, steht man wieder auf«, erwiderte Roger. »Dies hier war die Burg meines Vaters. Die nächste wird meine sein.«

4
    Windsor Castle,
September 1176

    Ida de Tosney betrachtete den Wandbehang in der Kammer und bewunderte das Geschick, mit dem die Stickerin zwei Blautöne mit Grün kombiniert hatte, um den Fluss darzustellen, an dem die Jagdgesellschaft in dem Bild ihre Pferde tränkte. Sie malte sich aus, wie sie eine solche Szene anlegen würde – vielleicht mit ein paar Silberfäden und einem oder zwei Fischen. Sie liebte es, sich Stickereien zu überlegen, und obwohl sie gerade erst fünfzehn geworden war, war sie schon sehr begabt im Umgang mit Nadel und Faden.
    Ihr rosenfarbenes Gewand war an den Ärmeln und am Ausschnitt mit zartgrünen Weinranken und am Saum mit Staubperlen bestickt. Den zweimal um die Taille geschlungenen Gürtel hatte sie selbst verziert. Er war gleichfalls mit Perlen besetzt, denn sie war eine Erbin, und dies war ihr eigens für die Begegnung mit dem König, dessen Mündel sie war, angefertigtes Hofgewand. Unruhig und verunsichert hatte sie sich diesen Moment hundert Mal ausgemalt, den Hofknicks, das Erheben und Zurücktreten im Geist geprobt. Sie hoffte, dass sie, falls er sie ansprechen sollte, in der Lage sein würde, eine angemessene Antwort zu geben.
    Ihre Zofe Goda flocht goldene Bänder in Idas dicken braunen Zopf, während Bertrice Idas Augenbrauen zu schmalen Bögen zupfte und Ida versuchte, nicht jedes Mal zusammenzuzucken.
    »Ihr müsst vor dem Antlitz des Königs so vorteilhaft wie möglich aussehen«, sagte Bertrice mit einem sachlichen Nicken. »Wenn Ihr ihm gefallt, wird er wohlwollend über Eure Vormundschaft nachdenken und einen guten Mann für Euch aussuchen.« Sie betupfte Idas Brauen mit einem feuchten, nach Lavendel duftenden Tuch, bis die leichte Röte verschwand, und strich dann mit den Fingerspitzen darüber.
    »Vielleicht findet Ihr heute schon unter den Höflingen einen Mann«,

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