Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Monatsblutung ein, und Ida war zutiefst erleichtert, dass Henrys Samen keine Frucht trug. Bertrice, die in
solchen Dingen sehr erfahren war, hatte ihr geraten, sich den Unterleib mit Essig auszuspülen, bevor sie zu Henry ging, weil das eine Empfängnis erschwerte. Sie wusste, dass es eine Sünde war, eine Schwangerschaft zu verhindern, aber sie sündigte ohnehin schon, indem sie mit dem König Unzucht trieb, und der Gedanke, sie könne ein Kind von ihm bekommen, erfüllte sie mit Furcht und Scham.
Zuerst wagte sie sich kaum aus ihrer Kammer, weil sie meinte, jeder würde sie mit dem Wort »Hure« auf den Lippen anstarren, doch stattdessen schlug ihr zögernde, aber freundliche Aufmerksamkeit entgegen. Bewundernde, gelegentlich auch mitleidige Blicke trafen sie. Die Beamten des Königs behandelten sie mit äußerstem Respekt. Wenn jemand verächtlich die Lippen schürzte oder abfällige Gesten vollführte, geschah es nicht in ihrer Gegenwart. Sie war die Mätresse des Königs, sie trug seinen Ring am Finger und seinen Hermelinkragen um den Hals, und wie Henry gesagt hatte, umgab sein Interesse an ihr sie wie ein schützender Kokon.
Sie empfing noch weitere Geschenke von ihm: kostbare Stoffe für Gewänder, vergoldete Schuhe, Seidenwäsche, Bänder, Ringe und Broschen. Henry mochte es, wenn sie abends in seiner Kammer saß und stickte oder auf ihrem kleinen Webstuhl webte und er sie mit einem nachsichtigen Lächeln betrachten konnte. Dass sie etwas zu tun hatte, was sie gut konnte, half Ida, über ihre Befangenheit hinwegzukommen, und Henry schien damit zufrieden zu sein, sie einfach nur um sich zu haben. Er hatte es gern, wenn sie seine Schultern massierte, seine Füße rieb oder ihm vorsang. Oft wurde sie in seine Kammer bestellt, und er verlangte nicht mehr als die tröstliche Gesellschaft einer Frau, die ihm keinerlei intellektuelle Konzentration abforderte. Wenn er sie in sein Bett nehmen wollte, fügte sie sich willig seinen Wünschen. Als sie sich allmählich daran gewöhnte,
was er von ihr erwartete und was sie zu erwarten hatte, verlor sie ihre Unsicherheit, und je vertrauter er ihr wurde, desto stärker begann sie die Macht zu genießen, ihm Vergnügen verschaffen zu können.
Als die Wochen und Monate verstrichen, begann Ida sogar eine gewisse Zuneigung für Henry zu empfinden. Er hatte eine anziehende Art, sich mit der Hand durch das Haar zu fahren, wenn er nachdachte, und da sie spätabends sein Privatgemach aufsuchte, kannte sie bald seine verwundbaren Stellen, die er bei Hof nicht zeigte. Ein paar Monate bevor er Ida in sein Bett genommen hatte, war seine Mätresse Rosamund de Clifford mitsamt ihrem Baby im Kindbett gestorben. Henry sprach kaum darüber, aber dem Wenigen, das er sagte, entnahm Ida, dass ihr Tod eine Lücke in seinem Leben hinterlassen hatte, die niemand je würde ausfüllen können. Sie selbst war ein blasser Ersatz – ein Hauch von Wärme, der die Kälte in seinem Inneren linderte.
Als sich ihre Position zu festigen begann, wollten Bittsteller sie bestechen, damit sie sich beim König für sie einsetzte. Ida war schockiert und überrascht zugleich, als ein Kaufmann ihr eine Bahn scharlachroter Seide überreichte und sie bat, ihm zu helfen, sich unter den Höflingen einen Kundenkreis aufzubauen. Da sie nicht wusste, was sie tun sollte, aber der Meinung war, mit Ehrlichkeit am besten zu fahren, zeigte sie Henry den Stoff. Dieser lachte schallend, küsste sie und sagte ihr, wie bezaubernd sie sei.
»Behalte die Seide nur«, gluckste er, »und empfiehl ihn überall, denn das wird dir Freunde einbringen, und du verdienst eine Belohnung für deine Frische und Aufrichtigkeit.« Er wickelte sich eine ihrer Haarsträhnen um den Finger und fügte hinzu: »Aber bring immer alles zu mir, was dir jemand gibt, erzähl mir, was er im Gegenzug von dir verlangt, und lass mich dann entscheiden, was zu tun ist.«
Ida nickte erleichtert. Sie hatte eine für sie neue und schwierige Situation gemeistert und Henrys Reaktion nach zu urteilen das Richtige getan.
Anfang März, sechs Monate nach ihrer ersten Begegnung mit Henry, ließ sich der Hof wieder in Windsor nieder. Zu Beginn des Frühlings kehrte der Winter noch einmal mit Macht zurück. Ein bitterkalter Nordostwind trieb Graupelschauer gegen die fest geschlossenen Läden, und zusätzliche Kerzen mussten entzündet werden, um die Düsternis in den Räumen zu vertreiben. Ida saß, dankbar für den zobelgesäumten Mantel, den sie über ihrem Gewand
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