Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Schritten eines Soldaten, sodass Ida Mühe hatte, mit ihm mitzuhalten.
»Es ist schon sehr spät«, murmelte sie, ohne eine Antwort zu erhalten. Sie blickte über ihre Schulter, aber der Gang hinter ihr lag in tiefer Finsternis. Es gab keine Fluchtmöglichkeit. »Bitte …« Sie griff nach seinem Ärmel.
Er verlangsamte seine Schritte und blieb stehen, doch nicht ihretwegen, sondern weil sie an eine bewachte Tür gelangt waren.
»Demoiselle.« Behutsam entfernte er ihre Hand von seinem Arm. »Der König erweist Euch eine große Ehre. Euch wird nichts geschehen.«
Wie oft hatte er das wohl schon gesagt? Ida mochte zwar unschuldig sein, aber sie war nicht unwissend. Die Zeremonienmeister und hochrangigen Beamten des Königs waren für die Betreuung der königlichen Konkubinen verantwortlich und kontrollierten die geheimen Ränkespiele des Hoflebens. Aber
sie war keine Konkubine. Sie war das Mündel des Königs – eine Erbin. Wie viele andere Erbinnen und Mündel waren im Dunkel der Nacht mit dem Marschall hier schon entlanggegangen ? Er hatte gemeint, sie solle sich geehrt fühlen, aber davon war sie weit entfernt. Sie fühlte sich eingeschüchtert und verängstigt.
Der Marschall klopfte mit dem Stab an die Tür, öffnete sie und schob Ida sanft, aber nachdrücklich in den Raum.
»Lady Ida de Tosney, Sire.«
Henry, der auf einer Bank vor dem Feuer saß, blickte von ein paar lose zusammengenähten Pergamentbögen auf.
»Ah.« Er winkte Ida mit der freien Hand zu sich. »Kommt, Mistress, setzt Euch zu mir.« Ein Blick und ein Nicken reichten aus, um dem Marschall zu verstehen zu geben, dass er sich zurückziehen sollte. Dieser verneigte sich stumm und verließ die Kammer. Ida sah sich im Raum um. Es hielten sich keine Diener oder anderen Gäste darin auf, sie war mit dem König allein. Zögernd nahm sie auf dem äußersten Rand der Bank Platz und faltete die Hände im Schoß. Sie fragte sich, ob die Dokumente, die er durchsah, mit ihr zu tun hatten. Vielleicht erinnerten sie ihn daran, was für eine hohe Mitgift ihr zustand.
Henry maß sie mit einem langen Blick, unter dem sich ihr Magen zusammenzog. Er schob die Dokumente zur Seite, stützte einen Arm auf die Bank und streckte die Beine aus. Sie bemerkte, dass die Kappen seiner Stiefel abgewetzt waren.
»Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben«, sagte er. »Ich werde Euch nichts zuleide tun.«
»Nein, Sire.« Sie presste die Knie zusammen.
Er kicherte leise.
»Ihr glaubt mir nicht, nicht wahr? Eure Augen strafen Eure Worte Lügen … nein, seht mich an. Ihr habt so schöne Augen, braun wie Haselnüsse.« Er beugte sich vor und strich mit dem
Finger über ihre Wange. »Und eine Haut wie ein Rosenblütenblatt.«
»Sire, ich …« Sie musste an sich halten, um nicht zurückzuweichen.
»Ich weiß, was Ihr denkt. Ihr wärt überall lieber als hier, nicht wahr?«
Ida schluckte. Sie hatte Angst, das Falsche zu sagen. Verzweifelt versuchte sie, ihre lähmende Furcht zu überwinden und klar zu denken.
»Der Lord Marschall sagte, Ihr wolltet mit mir über meine Vormundschaft sprechen?«
»Ach ja.« Mit einer Hand spielte er an ihrem Zopf. »Ihr seid eine Erbin, Ida. Ihr werdet genügend Bewerber um Eure Hand finden, die Euer Land in ihren Besitz bringen und sich eine gesunde junge Frau nehmen wollen, die ihnen Söhne gebiert, hmm?«
Sie errötete angesichts seiner Unverblümtheit.
»Ich weiß es nicht, Sire.«
»O nein, im Moment wisst Ihr das nicht. Ihr seid ja gerade erst bei Hof eingetroffen, aber bald werden sich die Verehrer einfinden. Ralph de Tosney war ein Mann von Rang und Namen, und Eure Mutter war eine Beaumont.« Er fuhr mit dem Finger an ihrem Zopf hinunter, bis er das Ende erreichte, das sich auf einer Höhe mit ihrer Brust befand. »Ihr besitzt Land, seid schön und unschuldig und jung. Ein lohnender Preis, und einer, den ich für mich selbst behalten möchte.«
Idas Augen weiteten sich. Sie spannte die Muskeln an, bereit, jeden Moment aufzuspringen.
»Sire, Ihr würdet mich ruinieren.«
Henry bedachte sie mit einem trägen Lächeln.
»In der Tat, und zwar für alle anderen Männer nach mir, aber nicht so, wie du denkst. Du wirst auf alle die, die nach
meiner Gunst und meinem Geld gieren, eine noch größere Anziehungskraft ausüben.« Er deutete auf einen Kristallflakon, der auf einer Truhe stand. »Sei so gut und schenke uns etwas Wein ein.«
Ida war froh, aus seiner Nähe entkommen zu können, aber ihre Hände zitterten, und es fiel
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