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Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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– und herrisch – wirkte. Er hatte Henrys Brauen und Nase, aber ihre braunen Augen und das Kinn, wenn es auch männlicher war. Sie wollte seine Züge mit den Fingerspitzen nachziehen, wusste aber, dass diese Geste viel zu intim war. Von dem Baby, dessen Windeln sie einst gewechselt und bei dem sie gewacht und gebetet hatte, als es gegen das Fieber ankämpfte, konnte sie keine Spur mehr entdecken, auch nicht von dem storchenbeinigen kleinen Jungen, der mit den anderen Kindern durch die Halle von Westminster getanzt war. Alles, was ihr geblieben war, waren eine Haarlocke und ein winziges Paar Schuhe.
    Sie bemerkte die Bartstoppeln an seinem Hals, als er schluckte. So alt war er schon … Er half ihr auf.
    »Mylady«, sagte er. »Meine Mutter… zumindest hat man mir das gesagt.« Seine Stimme stockte leicht, was von einem inneren Gefühlsaufruhr herrühren, aber genauso gut auch ein Erbteil seines Vaters sein konnte.
    »Ich … ich weiß nicht, was man dir erzählt hat, aber du bist tatsächlich mein Sohn. Willst du nicht hereinkommen?« Sie deutete auf die offene Tür. »Bitte.«
    Er nickte widerstrebend.
    »Ich habe Diener dabei. Sie werden in Kürze eintreffen.«
    »Die Stallburschen werden sich um sie kümmern, und in der Halle stehen Erfrischungen bereit.«
    Sie führte ihn über die Außentreppe in die obere Kammer, wobei sie sich seiner Präsenz bewusst war und spürte, dass die Atmosphäre so schwer und aufgeladen war wie vor einem Gewitter.
    Er trat über die Schwelle, und sie sah, wie er sich umblickte wie ein misstrauischer Hund auf fremdem Territorium. Sein Blick schweifte über die polierten Möbel, die Wandbehänge und die Schaffell-Läufer vor den Bänken und blieb dann an den jüngeren Kindern hängen, die unter der Aufsicht ihrer Kinderfrau in einer Ecke spielten.
    Ida grub die Nägel in die Handflächen.
    »Das sind deine Brüder und Schwestern«, sagte sie, und wieder fiel ihr das Sprechen schwer, weil sie sich schämte. Das Eingeständnis hatte einen fast anrüchigen Beigeschmack.
    Er wandte sich rasch ab, sah sie aber nicht an, sondern zog es vor, die Wand anzustarren.
    »Mein Vater, der König, sagte, Ihr hättet andere Träume und wolltet weitere Kinder bekommen, verriet mir aber nicht, wer Ihr wart. Das fand ich erst nach seinem Tod heraus.«
    Ida sehnte sich danach, ihn zu berühren, die Hand auf seinen Arm zu legen und all die Jahre wegzuwischen, aber das stand nicht in ihrer Macht.
    »Ich hatte keine Wahl, glaub es mir. Der König wünschte, dass du am Hof erzogen wurdest. Er ließ nicht zu, dass ich dich mitnahm, als ich heiratete, und das ist bis heute mein größter Kummer. Bitte setz dich.« Sie deutete auf eine Bank.
    »Danke, Madam.« Er behandelte sie mit höflicher Distanz, wie eine Fremde. Was hatte sie erwartet? Ihre Träume – nicht
die, von denen er gesprochen hatte – drehten sich um Nähe, ihre Albträume um Zurückweisung. Dieser Mittelweg war schmerzlich aber wenigstens zivilisiert und brachte sie beide vielleicht ein Stück weiter.
    Sie setzte sich neben ihn auf die Bank und umklammerte die Hände in ihrem Schoß.
    »Ich war sehr jung«, fuhr sie leiser fort. »Dein Vater …« Sie biss sich auf die Lippe. Es war so schwierig, die Dinge ohne Anklagen und Schuldzuweisungen richtigzustellen. »Dein Vater war der König, und ich war zu Loyalität und Gehorsam erzogen worden. Er begehrte mich, wünschte meine Gesellschaft, und ich durfte mich ihm nicht widersetzen. Nach deiner Geburt lebten wir in Woodstock, aber wir reisten auch oft mit dem Hof. Ich nehme nicht an, dass du dich an diese Zeiten erinnerst, aber ich tue es – ich erinnere mich an jeden einzelnen Moment… und manchmal denke ich, das ist mein Fluch.«
    Er hielt die Lider gesenkt. Seine Miene war so verschlossen wie eine hochgezogene Zugbrücke.
    »Ich wollte dich mitnehmen, das musst du mir glauben. Ich habe dich nicht aus freien Stücken zurückgelassen, dein Vater bestand darauf. Er wollte dich um jeden Preis bei sich behalten.«
    »Aber Ihr …« Seine Lippe kräuselte sich leicht. »Ihr habt Euch dafür entschieden, den Hof zu verlassen.«
    »Ja«, erwiderte sie ruhig, »denn wenn ich geblieben wäre, hätte ich am Ende jegliche Selbstachtung verloren. Dein Vater hätte mich irgendwann mit einem Mann seiner Wahl verheiratet, und ich hätte dich trotzdem hergeben müssen. Ich habe meine Wahl getroffen, solange ich noch eine hatte – und ich musste seither mit dem Bewusstsein meiner Schuld leben.« Ihre

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