Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Tunika an«, befahl Ida rasch. »In diesem Zustand begrüßt man keine Gäste.«
Der Junge blickte sich um und schenkte seiner Mutter dasselbe ungetrübte Lächeln.
»Ja, Mama«, sagte er. Die Selbstverständlichkeit, mit der er das Wort aussprach, steigerte Williams Antipathie noch.
»Spielst du Feldball?«, erkundigte sich Hugh.
»Gelegentlich«, entgegnete Longespee von oben herab. »Als ich mit meinem Bruder, dem König, und deinem Vater in Deutschland war, habe ich es manchmal gespielt.« Er wollte dem Jungen einen kleinen Nadelstich versetzen, indem er ihn darauf hinwies, dass Rogers Aufmerksamkeit dort ihm und nicht Hugh gegolten hatte, aber das war verschwendete Liebesmüh, denn Hugh wirkte unverändert fröhlich.
»Gut, dann können wir ja ab und zu einmal spielen. Dein Schwert gefällt mir …«
»Hugh«, mahnte Ida mit einem warnenden Unterton in der Stimme. Hugh verdrehte immer noch grinsend die Augen und verließ die Kammer.
William wischte sich die Hand verstohlen an seiner Tunika ab. Etwas von Hughs Blut floss auch in seinen Adern. Plötzlich war er froh, dass er am Hof aufgewachsen war.
»Du wirst feststellen, dass Hugh genauso ist, wie er sich gibt, er ist unfähig, sich zu verstellen«, meinte der Earl. »Falschheit und Verschlagenheit sind ihm fremd.«
Ein schlammbespritzter grinsender Idiot also, dachte William und zwang sich, Rogers Lächeln zu erwidern, obwohl seine Lippen dabei vor Anspannung schmerzten. Er war der Erste und der Beste, weil er der Sohn eines Königs war.
Da ihm nicht entgangen war, wie sein Halbbruder ihn angesehen hatte, als sie sich die Hände schüttelten, wusch sich Hugh besonders gründlich, säuberte seine Fingernägel, putzte sich mit einem Haselzweig die Zähne und kaute einen Kardamomsamen, damit sein Atem süß roch. Dann zog er ein frisches Hemd, seine blaue Tunika mit der Goldstickerei, seine besten roten Hosen und die Schuhe mit den blauen Seidenbändern an. Er würde dem Neuankömmling beweisen, dass er sich angemessen zu kleiden verstand, wenn der Anlass es erforderte.
Obwohl er gelächelt und sein Bestes getan hatte, um seinen Halbbruder willkommen zu heißen, brachte seine Anwesenheit ihn aus dem Gleichgewicht. Der erstgeborene Sohn seiner Mutter… der, von dem er während seiner Kindheit so viel gehört hatte, um den sie weinte, wenn sie meinte, niemand würde es merken. Der Sohn, der mit seinem Vater nach Deutschland gereist war. Hugh war von Natur aus großzügig und bereit, zu teilen, was er hatte, aber diese Hürde war höher als alle anderen, die er bislang übersprungen hatte. Sein Halbbruder hatte den Vorteil, älter zu sein – er war fast schon ein Mann. In gewisser Hinsicht war das gut, denn es schuf Distanz, aber andererseits verfügten Männer über mehr Macht als Jungen. Longespee mit seinem prächtigen Schwert schien überdies ein besonderer Glanz anzuhaften.
Hugh kämmte sein Haar und straffte die Schultern. Er würde sich bemühen, den Besucher zu akzeptieren, das war er seiner Mutter und seiner Erziehung schuldig, aber leicht würde es nicht werden.
Als er in die Kammer zurückkehrte, standen Ralph und William bei Longespee und bewunderten sein Schwert, während seine Schwestern seine Kleider in Augenschein nahmen und ihn musterten. Seine Mutter sah ihnen lächelnd zu, aber die Art,
wie sie die Hände umklammert hielt, verriet Hugh, wie nervös sie war. Er gesellte sich zu der Gruppe und täuschte gleichfalls freundliches Interesse an dem Schwert vor, aber der junge Mann richtete kaum einmal das Wort an ihn, obwohl er sich den Kleineren gegenüber offener gab. Da ihm auffiel, dass Longespee seinen Wein ausgetrunken hatte, griff er nach dem leeren Becher.
»Möchtest du noch etwas Wein?«, fragte er, bereit, ihn selbst zu holen.
Longespee bedachte ihn mit einem überheblichen Blick. »Habt ihr dafür keine Diener?«
Hugh zuckte die Achseln.
»Es macht mir keine Mühe, außerdem war es als Ehrenbezeugung gedacht.«
Longespee hob gleichfalls die Achseln, wobei die goldene Spange an seiner Schulter aufblitzte.
»Dann danke ich dir«, erwiderte er. »Wie ich hörte, ist dein Vater bei Hof der Mundschenk meines Bruders, des Königs.«
Hugh schielte zu seinem Vater hinüber, doch Roger befand sich außer Hörweite. Er sprach mit einem seiner Ritter über die Vorbereitungen für das Krönungsfest. Hugh schenkte Wein nach und reichte seinem Halbbruder den Becher.
»Wie gefällt dir der Schrein des heiligen Edmund?«, fragte er,
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