Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
entsprungen war, wollte er sich selbst nicht in diesem Licht sehen.
Die Frau, die ihn begrüßt hatte, hatte in der Tat scheu und liebenswürdig gewirkt. Sie hatte braune Rehaugen, und wenn sie lächelte, zeigten sich Grübchen in ihren Wangen, obwohl sie blass und gequält aussah.
Die Vorstellung, dass er einer intriganten ehemaligen Konkubine gegenübertreten musste, hatte sich als falsch erwiesen, aber er wusste immer noch nicht, ob er ihrer Behauptung, sie habe keine andere Wahl gehabt, Glauben schenken sollte. Die Worte seines Vaters über andere Träume und weitere Kinder ließen ihn nicht los. Sie vergötterte den Earl ganz offensichtlich, den Beweis dafür sah er am anderen Ende des Raums, wo die fünf Kinder spielten. Roger hatte in Deutschland gelegentlich von seinen Kindern gesprochen, aber keine Einzelheiten erwähnt. Sie in Fleisch und Blut vor sich zu sehen versetzte ihm einen Schock, denn es bedeutete, dass sich seine Mutter ihrem Mann wieder und wieder hingegeben haben musste. Trotzdem
war er mit der Art zufrieden, wie er die Situation bewältigt hatte. Das Bewusstsein, der Sohn eines Königs zu sein, hatte dabei geholfen. Seine Halbgeschwister waren nur einige unter vielen, und in ihren Adern floss kein königliches Blut, also konnte er sich großmütig zeigen.
»Hast du deine Brüder und Schwestern schon gesehen?«, fragte der Earl ihn lächelnd.
William musterte die spielenden Kinder.
»Ja, Sir«, erwiderte er höflich.
Auch der Earl blickte zu seinen Sprösslingen hinüber. »Und hast du meinen ältesten Sohn kennen gelernt? Hugh?«
Ein Stich durchzuckte Williams Brust. Ältester Sohn? Seine Augen wurden schmal. Die ältesten Kinder in der Ecke waren beides Mädchen, die drei Jungen Kleinkinder. Dass es noch einen Sohn gab, der ihm altersmäßig näher stand, brachte ihn aus der Fassung. Er warf seiner Mutter einen misstrauischen, fast zornigen Blick zu. Diesen Sohn hatte sie ihm verschwiegen. Schämte sie sich für ihn? Wollte sie nicht, dass er es erfuhr?
»Nein«, entgegnete er. Es gelang ihm, höflich zu bleiben, obwohl er einen bitteren Geschmack im Mund hatte. Als er den Blick bemerkte, den der Earl und seine Frau wechselten, kam er sich ausgeschlossen vor. Es handelte sich also doch um eine Verschwörung.
»Komm.« Roger erhob sich. »Ich zeige ihn dir.«
Longespee umklammerte den Griff seines Schwertes, um Kraft zu schöpfen, und folgte Roger zum Fenster, das auf einen Hof hinausging, in dem einige ältere Jungen in ein wildes Feldballspiel verstrickt waren.
»Dort.« Roger deutete auf einen der Spieler. »Der in der grünen Hose, das ist Hugh.«
Longespee starrte den Jungen an, auf den der Earl gezeigt
hatte. Er bewegte sich rasch und anmutig, war schlank, aber muskulös und hatte Haar von der Farbe reifen Weizens. Es war ein raues Spiel, und seine Hose war mit Schlamm bespritzt. Als hätte er sich mit Schweinen im Matsch gesuhlt, dachte William abfällig. Die vergnügte Stimme des Jungen drang zu ihnen empor.
»Hier, Thomas, hier, zu mir!« William wäre fast zusammengezuckt, als er den breiten ländlichen Akzent hörte.
»Ich bin sicher, ihr werdet bald Freunde werden«, sagte der Earl.
Longespee riss den Blick von seinem Halbbruder los und blickte Roger an. Dessen Miene war ausdruckslos, nur die Brauen hatte er vielsagend hochgezogen.
»Ja, Sir«, erwiderte er, während er dachte, dass sich eher die Flammen der Hölle in Eiszapfen verwandeln würden.
Roger gab Hugh ein Zeichen, das Spiel abzubrechen und hereinzukommen. In der Zwischenzeit wurden die jüngeren Kinder Longespee formell vorgestellt, dem es irgendwie gelang, sich nichts anmerken zu lassen. Seine Mutter sah er nicht an, obwohl er spürte, wie sie mit sich kämpfte – was ihn freute, weil er vor Zorn kochte.
Von dem Spiel noch außer Atem betrat Hugh das Zimmer. Sein Gesicht glühte vor Anstrengung, und über seine Wange verlief ein Schmutzstreifen. Vom Hof her drang der Lärm der anderen Jungen zu ihm herauf, die ihr Ballspiel fortsetzten, was William sowohl mit leiser Eifersucht als auch mit Verachtung erfüllte.
»Hugh, das ist dein Bruder William Longespee«, sagte der Earl, woraufhin sich der Junge zu Longespee umdrehte und lächelte, seine meerblauen Augen blitzten.
»Willkommen, Bruder.« Er streckte eine schmutzverschmierte Hand aus.
Die Hand des Burschen zu schütteln war das Letzte, was Longespee wollte, aber die Höflichkeit zwang ihn dazu.
»Hugh, geh dich waschen und zieh eine saubere
Weitere Kostenlose Bücher