Die Rosen von Montevideo
brummte er ärgerlich.
Für gewöhnlich hätte Valentín klein beigegeben. Doch noch erhitzt vom Eifer des Gesprächs, hielt er ihm trotzig entgegen: »Du gibst hier die Befehle, Bruder – aber mit wem ich worüber rede, ist allein meine Sache.«
»Schön und gut, aber lass dir von ihr kein schlechtes Gewissen machen.«
»Ich lass mir bestimmt nichts einreden«, gab Valentín barsch zurück. »Denn ich kann meinen Kopf zum Denken benutzen. Das solltest du auch und dringend überlegen, wie wir weiter vorgehen.«
»Das habe ich doch schon beschlossen. Wir bringen unser Goldvögelchen nach Asunción, was denkst du denn?«
»Und dort? Wo soll sie leben, während wir die de la Vegas’ erpressen? Wer sorgt für sie?«
»Darüber also machst du dir Gedanken? Dass es dem Mädchen an nichts fehlt – und nicht etwa, wie dringend unsere Soldaten die Waffen brauchen?«
Valentín blickte kurz zu Boden, sah dann jedoch entschieden auf. »Ich stelle mich nicht gegen deinen Plan, aber ihr wird kein Haar gekrümmt.«
Pablo schnaubte verächtlich. »Was wir in Asunción mit ihr machen, werden wir später entscheiden. Noch müssen wir überhaupt dort ankommen, die Reise dorthin ist lang und anstrengend. Wollen wir doch mal sehen, ob unser Püppchen das durchsteht und ob du sie heil durch alle Gefahren geleiten kannst.«
Er gab seinem Pferd die Sporen und stob davon, ehe Valentín die Gelegenheit hatte, etwas dazu zu sagen.
Etwas hatte sich nach dem Gespräch mit Valentín verändert, obgleich Valeria nicht sicher war, was genau. Auch wenn sie nicht trotzig auf ihren Argumenten beharren konnte, sondern ihm in manchem recht geben musste, war sie nicht bereit, ihm und den anderen zu verzeihen. Allerdings konnte sie nun nicht mehr verhindern, sich Gedanken über die Männer zu machen: Nicht nur – wie bislang – darüber, wie sie hießen und wie treu sie zu Pablo standen, sondern auch, was genau sie antrieb und wie viel Menschlichkeit hinter der rauhen Schale stecken mochte. Bei Valentín war es wohl mehr, als sie gedacht hatte, und sie musste sich selbst ermahnen, sich davon nicht milde stimmen zu lassen. Was nützte ihr, einen verletzlichen Kern zu ahnen, wenn er sie nicht freiließ!
Gegen Abend verbat sie sich strikt, sich weiterhin den Kopf darüber zu zerbrechen, und als sie das Nachtlager aufschlugen, senkte sie ihren Kopf und stellte sich ihm gegenüber blind. Einmal mehr war auf ihre Erschöpfung Verlass, und sie schlief rasch ein, doch anders als in den vorangegangenen Nächten erwachte sie bald wieder und richtete sich auf.
Sowohl das Knacken des brennenden Holzes hatte sie geweckt als auch ein Blick, der auf ihr ruhte, nicht Valentíns Blick, wie sie zunächst vermutet hatte, sondern der von Jorge, der heute Nachtwache hielt und sie nachdenklich betrachtete. Er wirkte nicht eigentlich drohend … eher abschätzend, dennoch fühlte sie sich zunehmend unwohl.
Anstatt das Unbehagen einzugestehen, sah sie ihm trotzig in die Augen.
»Ich werde nicht noch einmal zu fliehen versuchen«, erklärte sie.
Jorge blickte sich um, und als er sich sicher war, dass alle anderen schliefen, sagte er zu ihrer Überraschung plötzlich: »Eigentlich schade.«
Valeria glaubte, sie hätte sich verhört. »Aber …«
Jorge erhob sich langsam und ließ sich knapp neben ihr nieder. Seine Nähe war ihr unangenehm, am liebsten wäre sie zurückgewichen, aber sie beherrschte sich, und tief in ihr erwachte neue Hoffnung.
»Ich bin ungeduldig«, sagte er plötzlich. Valeria konnte mit diesen Worten nichts anfangen und wartete schweigend, dass er fortfuhr. Er tat es sehr bedächtig … zögerlich. »Ich meine, was Pablos Plan anbelangt, von dem halte ich nicht viel … Es wird viel Zeit vergehen, bis wir Asunción erreichen, und von dort aus ist es sehr schwierig, Verhandlungen mit deinem Großvater zu führen.«
Valeria ahnte, worauf er hinauswollte, war sich allerdings nicht sicher, ob er sie nur prüfen wollte. Sei’s drum – es war ihre einzige Chance.
»Du wärst bereit, mich zu meinem Großvater zurückzubringen, nicht wahr?«, sagte sie eifrig. »Und anstelle von weiteren Waffen würdest du mit Geld vorliebnehmen.«
Jorge schwieg vielsagend.
»Mein Großvater ist reich, sehr reich. Er würde bestimmt …«
Mit einer hektischen Bewegung schnitt er ihr das Wort ab. Sie hatte zu laut gesprochen, und erst als er wieder die anderen taxiert und festgestellt hatte, dass sie nicht erwacht waren, fügte er hinzu: »Das
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