Die Rosen von Montevideo
weiß ich bereits …«
Was er offenbar nicht wusste, war, wie er diesen Plan umsetzen sollte.
Valeria überlegte fieberhaft … Jorge schien nicht der Hellste zu sein, und um ihn dazu zu bewegen, ihr zur Flucht zu verhelfen, musste sie ihm einen Vorschlag unterbreiten. »Wenn du wieder einmal Nachtwache hältst so wie heute, dann könnten wir doch heimlich dein Pferd losbinden und fortschleichen. Bis die anderen wach sind, hätten wir längst einen Vorsprung …«
Jorge blickte zweifelnd. So weit hatte er wohl schon gedacht. Fraglich war, was danach kam.
»Hier gibt es jede Menge einsame Gehöfte … Du könntest mich an einem absetzen. Ich meine, ohne Pferd und ganz auf mich gestellt, würde ich es nie zurück nach Montevideo schaffen. Du hingegen kehrst dorthin zurück und verrätst meiner Familie meinen Aufenthaltsort nur gegen entsprechende Bezahlung. Bis sie mich dann tatsächlich gefunden haben, bist du längst über alle Berge.«
»Hm«, machte Jorge, ehe er nach längerem Zögern hinzufügte: »Es könnte klappen …«
Valeria sah in die dunkle Nacht. »Warum wollen wir es nicht gleich jetzt wagen?«
Jorge schüttelte den Kopf. »Besser, wir warten, bis wir kurz vor der argentinischen Grenze sind, wenn Pablo sich sicher fühlt.«
Er stand auf und hockte sich wieder an seinen Platz. Nicht länger starrte er Valeria an, sondern die Flammen. Sie selbst legte sich hin, konnte aber nicht wieder einschlafen. Was sollte sie nur davon halten?
Unwillkürlich wanderte ihr Blick zum schlafenden Valentín. Anders als Jorge hätte sie diesem sofort vertraut, und kurz überlegte sie, ihm von Jorges geplantem Verrat an der Truppe zu erzählen. Du Närrin!, schalt sie sich allerdings alsbald. Von ihm kannst du ein wenig Fürsorge erhoffen – keine echte Hilfe!
Auch wenn Valentín kein Ungeheuer wie sein Bruder war – wenn sie ihre Freiheit wiedererlangen wollte, tat sie gut daran, auf Jorge zu setzen.
17. Kapitel
I n den ersten Tagen fühlte sich Claire noch etwas unsicher auf dem Pferderücken. Luis war es zwar schnell gelungen, ein Tier für sie zu besorgen, doch es war ein sehr großer, wilder, dunkler Hengst, dessen Augen Claire irgendwie spöttisch anzufunkeln schienen.
»Kann ich nicht eine Stute reiten?«, fragte sie.
Luis schüttelte bedauernd den Kopf. »Die Stuten werden hierzulande geschlachtet und gegessen oder als Zuchttiere genutzt. Auf einer reiten will jedoch niemand. Ein jeder Mann würde sich in seiner Ehre verletzt fühlen und ginge lieber zu Fuß.«
Claire verdrehte die Augen. »Als ob euch Männern ein Zacken aus der Krone fiele, wenn ihr einmal auf ein weibliches Wesen angewiesen seid.«
Luis wurde wieder ernst. »Nun, ich denke nicht so. Ich finde, dass sich Frauen des Öfteren als die Stärkeren und Mutigeren erweisen.«
Claire seufzte. »Gott schenke auch Valeria möglichst viel von diesem Mut und dieser Stärke.«
Am liebsten wäre sie Tag und Nacht durchgeritten, bis sie jenes einsame Gehöft erreichten, und hätte sich dort auf die Suche nach Spuren gemacht, aber Luis drängte sie immer wieder dazu, Pausen einzulegen und ihre Kräfte nicht zu verausgaben. Mittlerweile war aus Montevideo Verstärkung gekommen – ein Trupp Soldaten, die zwar die notwendige Entschlossenheit an den Tag legten, aber insgeheim verärgert waren und sich in ihrer männlichen Ehre gekränkt fühlten, dass eine Frau sie nicht nur begleitete, sondern ihr Tun ständig kritisch hinterfragte. Luis musste sie erst mit viel Mühe überzeugen, dass sie ihnen mit einigem Abstand folgen durften. Claire war der Unfriede, den sie säte, herzlich egal – das Wichtigste war, Valeria zu finden.
Zwei Tage später erreichten sie das Gehöft hinter einem schlecht gepflegten Weizenfeld, wo der Knabe jene Frau im hellen Kleid gesehen hatte. Spuren waren dort kaum welche zu entdecken, und bei den nächsten Häusern und Siedlungen, die sie passierten, hatte niemand die Männer und ihre Geisel gesehen. Doch nach weiteren Tagen stießen sie auf eine Feuerstelle.
»Hier könnten sie gewesen sein!«, rief Claire freudig.
Luis bestätigte das nicht, um ihre Hoffnung nicht zu schüren. Falls sie hier tatsächlich vorbeigekommen waren, räumte er jedoch ein, ließ sich ihre geplante Route gut vorhersehen. Knapp eine Woche währte der Weg von hier zur Grenze nach Argentinien.
»Das ist ein gefährliches Gebiet«, erklärte der Offizier, der die Soldaten befehligte. »Auch wenn es zurzeit keine Kampfhandlungen
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