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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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die lauten Schüsse waren, der Geruch nach Blut, Gefahr und Tod, der in der Luft lag, oder ob es gar selbst getroffen war – plötzlich stieg es und trat mit den Vorderbeinen in die Luft. Noch konnte sich Claire festhalten, noch fiel sie nicht, aber kaum gruben sich die Hufe wieder in die Erde, raste das Pferd los.
    Claire konnte die Richtung nicht ausmachen, hörte nur, wie die Schüsse immer leiser wurden.
    Staub und Sand trafen ihr Gesicht, so dass sie die Augen schließen musste.
    Warum war sie bloß mitgekommen? Warum hatte der junge Soldat das Feuer eröffnet? Warum nur hatte sie Valeria nicht retten können, obwohl diese doch so nahe war.
    Mit aller Macht klammerte sie sich an der Mähne des Tiers fest, ahnte aber, dass ihre Kräfte bald schwinden würden. Das Pferd wurde einfach nicht langsamer. Sie hörte die Schüsse nun gar nicht mehr, doch das war nicht unbedingt ein Zeichen, dass der Kampf ein Ende gefunden hatte – nur dass sie vollkommen allein in dieser Einöde war.
    Trotz des atemberaubenden Tempos wagte sie es, mit der einen Hand die Mähne loszulassen und nach dem Zügel zu greifen. Tatsächlich, das Pferd wurde langsamer, doch seine Panik hatte sich nicht gelegt.
    Erneut bäumte es sich auf, und diesmal war Claire zu geschwächt, um sich festzuklammern. Die Zügel entglitten ihr, sie rutschte vom Sattel, fiel zu Boden und rollte wegen der Wucht des Aufpralls mehrmals um die eigene Achse. Irgendetwas Hartes traf ihren Kopf – ein Stein unter ihr oder der Huf des Pferdes über ihr.
    Es tat weh … scheußlich weh, doch der Schmerz war nichtig, gemessen an dem, der durch ihr Bein fuhr. Es musste gebrochen sein.
    Aus unendlich weiter Ferne hörte sie das Pferd wiehern, dann nur noch ihren keuchenden Atem. Wo war das verfluchte Tier?
    Sie wollte sich aufrichten, aber der Schmerz bezwang sie sofort. Wimmernd lag sie im Finstern, sah nichts mehr, hörte nichts mehr, hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verging.
    Irgendwann ragte eine Hand in jenes Meer aus Schmerzen und streichelte ihr Gesicht.
    Der Hand folgte eine Stimme.
    »Gott, Claire!«
    »Valeria …«, stöhnte sie. »Habt ihr Valeria?«
    Sie öffnete die Augen und sah, dass er sie entsetzt ansah. Wahrscheinlich war sie blutüberströmt.
    »Sag doch was!«, schrie sie.
    Erst schüttelte er nur den Kopf, dann stammelte er unzusammenhängende Worte. »So viele Soldaten tot … Wald bot ihnen Schutz … Was für eine Riesendummheit …« Er brach ab und ließ offen, ob nun einer der Soldaten oder sie es war, die diese Riesendummheit begangen hatten.
    »Claire, mein Gott, Claire, kannst du aufstehen?«
    »Ich versuche es.«
    Ihre Zähne klapperten. Sie wusste insgeheim, dass es ihr unmöglich gelingen würde, sich zu erheben, aber sie wollte ihm nicht noch mehr Sorgen bereiten und ließ sich von ihm hochziehen. Kaum verlagerte sie das Gewicht auf das gebrochene Bein, sackte sie wieder in sich zusammen. Die Schmerzen wurden unerträglich, die Schwärze so verlockend. Das namenlose Nichts, das sie einhüllte, erstickte sowohl ihre Sorge um Valeria als auch das schlechte Gewissen, weil sie Luis so große Angst bereitete.
     
    Valerias Furcht, unter Jorges wuchtigem Körper zu ersticken, wuchs. Anfangs hatte er noch als eine Art Schutzschild gedient, der sie vor möglichen Kugeln bewahrte, doch mittlerweile ertönten keine Schüsse mehr, und der Druck auf ihrer Brust wurde immer schmerzhafter. Mit aller Macht versuchte sie, ihn von sich zu stoßen, doch es gelang ihr nicht. Ihr Ächzen klang inmitten der Stille laut und … beängstigend. Es erinnerte daran, dass der, der auf ihr lag, nie wieder einen Ton ausstoßen würde, und zu ihrer Panik gesellte sich Ekel. Sie lag unter einem Toten …
    Sie begann, noch heftiger auf den leblosen Leib einzuschlagen, und endlich bewegte er sich … rollte von ihr … nein, wurde zur Seite gezerrt.
    Das Licht einer Fackel schnitt sich in ihre Augen.
    »Was … was …?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, wer sie von Jorges Leib befreit hatte. Die Erleichterung, dass sie wieder frei atmen konnte, war größer als die Enttäuschung, dass es keiner der uruguayischen Soldaten war, sondern Valentín, aber sie währte nicht lange.
    Claire, schoss es ihr mit wachsendem Entsetzen durch den Kopf. Wo war Claire? Was war ihr zugestoßen?
    Sie wehrte sich nicht, als Valentín sie hochzog. Obwohl sie sich wie paralysiert fühlte, entging ihr nicht, dass auch seine Augen weit aufgerissen waren und sein Gesicht

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