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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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nicht selbst. »Eigentlich sollten nach der Schleifung der Mauer viele freie Flächen neu bebaut werden. Aber aufgrund der Belagerung durch die Argentinier geht das nur schleppend voran.«
    »Aha«, machte Rosa und imitierte seine ernste Miene.
    »Nun, scheinbar werden für diese Bauarbeiten die alten Steine wiederverwendet«, fuhr Albert fort. In der Tat arbeiteten nicht weit von ihnen einige Männer, und manche von ihnen kamen näher, um von hier Steine fortzuschleppen, und scheuchten sie fort.
    Albert reichte Rosa die Hand, damit sie herunterklettern konnte, doch sie nahm sie nicht, sondern sprang wendig wie eine Katze auf den Boden.
    »Vielleicht werden damit nicht nur neue Siedlungen errichtet, sondern auch der Hafen erweitert«, sinnierte er laut. »Meines Wissens gibt es überdies Pläne, das Hauptquartier der Regierung und die Handelssiedlung der Kaufleute auszubauen.«
    »Du klingst davon so angetan, als würdest du selbst gleich mitbauen wollen!«
    »Das nun doch nicht!«, stritt er ab. »Ich bin hier, um Handelsbeziehungen aufzunehmen und …«
    Er redete eine Weile weiter, aber sie hörte ihm nicht zu. Geld und Waren hatten sie noch nie interessiert.
    »Komm doch!«, rief sie und lief wieder die Straße hinunter, die Richtung Meer führte. Er betrachtete voller Interesse die einstöckigen Gebäude, sie betrachtete nicht minder fasziniert die Menschen, die die Stadt bevölkerten.
    »Sieh doch nur!«
    Sie deutete ungeniert auf eine schwarzfarbige Frau. »Wie lustig sie aussieht! Schau dir nur ihre gekräuselten Haare an!«
    »Ich habe gehört, dass es hier – anders als in Brasilien – nicht sehr viele Negersklaven gibt«, erklärte Albert ernsthaft, »und die wenigen arbeiten in den Haushalten in Montevideo, nicht auf den Feldern. Auch die indianische Bevölkerung ist in der Banda Oriental nicht sehr zahlreich. Als die Spanier einst das Land eroberten, trafen sie nur etwa fünftausend an.«
    Woher wusste er nur all diese Sachen?
    Rosa überlegte, ob sie etwas Geistreiches dazu beitragen konnte. »Espe ist auch die Tochter einer Indianerin«, fiel ihr ein.
    »Wer ist Espe?«
    »Eigentlich heißt sie Esperanza. Sie ist die einstige Dienerin meiner Mutter, die Frau, die mir geholfen hat, auszureißen.«
    Albert starrte sie verblüfft an, und Rosa biss sich auf die Lippen. Warum musste sie sich aber auch nur verplappern?
    »Du bist ausgerissen? Warum denn?«
    Rosa entschied, dass es zu spät war, sich in irgendwelchen Ausflüchten zu ergehen. »Mein Vater will mich dazu zwingen, einen alten Mann zu heiraten … einen uralten.« Sie verzog angewidert ihr Gesicht. »Es ist einfach so schrecklich! Ich wusste natürlich, dass ich bald heiraten würde, aber …«
    Albert betrachtete sie nachdenklich. »Welchen Mann würdest du denn stattdessen heiraten wollen?«
    »Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. In jedem Fall müsste er jünger als Ricardo del Monte sein. Schöner. Und weltmännischer. So wie du. Wenn auch nicht ganz so ernst.« Sie grinste ihn keck an und freute sich, als er errötete und das Lächeln erwiderte. Die Männer, mit denen Julio Geschäfte machte, oder gar Männer wie Ricardo erröteten nie. Sie waren allesamt höflich, aber steif, buckelten vor den Engländern und hassten die Blancos. Rosa fühlte sich von ihnen eingeschüchtert, während sie sich an Alberts Seite ungemein verwegen vorkam.
    Während er mit immer röterem Gesicht nach einer Entgegnung suchte, hatte sie schon etwas Neues entdeckt: In der Nähe des Hafens befanden sich mehrere Lokale, wo man rund um kleine Tische auf Korbstühlen im Freien sitzen konnte. Am Abend wurde hier wohl Wein ausgeschenkt – jetzt begnügte man sich mit Matetee.
    »Hast du schon einmal Matetee getrunken?«, rief sie eifrig. »Wenn du Land und Leute kennenlernen willst, ist das unverzichtbar. Jeder trinkt hier Matetee in rauhen Mengen!«
    Wenig später hatten sie Platz genommen und die Bestellung aufgegeben – eine ungemein abenteuerliche Angelegenheit für Rosa, war sie doch mit ihren Tanten nie in einem solchen Etablissement eingekehrt. Dennoch erklärte sie nun besserwisserisch: »Der Matetee wird aus der Gurde getrunken – das ist dieses runde Gefäß –, und zwar mit einem Trinkröhrchen, der Bombilla. Wenn er sich dem Ende zuneigt, musst du den Rest schlürfen, aber insgesamt nur drei Mal, alles andere gilt als unhöflich und wenig vornehm.«
    Albert sog an der Bombilla und schrie prompt: »Aua!« Wieder lief sein Gesicht

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