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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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vor wenigen Jahrzehnten lebten hier nur einige hundert Soldaten, die sie gegen die Portugiesen aus Brasilien schützten.«
    Davon hatte Rosa keine Ahnung, aber das wollte sie nicht zugeben. Hektisch blickte sie sich um und überlegte, womit sie ihn ablenken könnte. »Dort oben ist die Plaza Mayor!«, rief sie. »Wir wollen um die Wette laufen – wer kommt wohl als Erster dort an?«
    Anstatt seine Antwort abzuwarten, lief sie los, und so wie vorhin auf der Flucht erwies sie sich erneut als die Schnellere. Es machte ihr so großen Spaß, zu laufen, sie konnte sich nicht erinnern, es je getan zu haben.
    Albert hingegen schwitzte, als er endlich ankam. Umständlich kramte er in seiner Tasche nach dem Spitzentaschentuch, um sich die Stirn abzuwischen, und hatte erst dann die Muße, die Kathedrale Matriz zu bewundern. Die Kirche war aus gebrannten Ziegeln errichtet und besaß drei Schiffe: Das mittlere mündete in einer großen Kuppel, über den seitlichen war eine eigene Galerie errichtet worden, vorn an der Fassade zierten zwei schlanke Türme die Ecken – was ohne Zweifel elegant wirkte, aber nicht darüber hinwegsehen ließ, dass die Kirche noch nicht verputzt war. Rosa, die mit ihrer Familie hier sonntäglich den Gottesdienst besuchte, wusste, dass auch im Inneren die Wände heruntergekommen waren und es an jeglichem Prunk fehlte. Da sie das warme Sonnenlicht auf der Haut genoss, scheute sie sich ohnehin, das dunkle Gebäude zu betreten, und sie war froh, dass Albert keine entsprechenden Anstalten machte, sondern sich begnügte, die Kathedrale von außen in Augenschein zu nehmen.
    Obwohl er noch nicht hier gewesen zu sein schien, hatte er wohl schon von der Kathedrale Matriz gehört. »Der Bau wurde 1790 begonnen«, dozierte er mit ernster Stimme, »und hat vierzehn Jahre gewährt.«
    Gütiger Himmel, wen interessierte das schon? Das war lange, bevor sie geboren worden war! Wahrscheinlich war Ricardo del Monte schon damals auf der Welt gewesen, aber an ihren Bräutigam wollte sie ebenso wenig denken wie an den ursprünglichen Plan, Julio aufzusuchen. Sie drehte sich nach allen Seiten, hielt das Gesicht in die Sonne und jauchzte. Von hier oben konnte man das Meer noch besser sehen. »Wie schön!«, rief sie.
    »Eigentlich habe ich auf der langen Reise genug Meerwind abbekommen«, meinte Albert nur.
    Rosa hatte keine Ahnung, wie lange die Reise von Europa bis hierher währte. Die Vorstellung, wochenlang auf einem Schiff unterwegs zu sein, machte sie neugierig. »Erzähl mir vom Schiff!«, forderte sie ihn auf. »Hast du Fliegende Fische gesehen? Mein Bruder Julio behauptet, dass es sie gibt.«
    Er zuckte die Schultern. »Die meiste Zeit war ich in meiner Kajüte. Ich war etwas seekrank.«
    Rosa ließ sich davon nicht abschrecken. »Oh, ich würde so gerne einmal auf einem Schiff reisen! Und ich würde auch einmal so gerne das Landesinnere kennenlernen. Die Menschen behaupten zwar, dass unser Land nicht viel zu bieten hätte, weil es hier weder Berge noch Dschungel gebe. Aber manchmal stelle ich mir vor, wie es ist, einfach loszureiten. Der Wind bläst mir ins Gesicht, meine Zöpfe lösen sich, die Sonne scheint auf mich herab …« Sie hielt ihr Gesicht kurz mit geschlossenen Augen in die warmen Strahlen. »Nun, den Geruch nach Meer würde ich in der Pampa schon vermissen.« Sie lachte auf. »Komm mit! Sieh nur dort hinten!«
    Flugs hatten sie den Platz überquert und die Reste einer alten Mauer erreicht. Sie war nicht sonderlich hoch, und sofort raffte Rosa ihr Kleid, kletterte darauf und balancierte darüber.
    »Mein Gott, das ist gefährlich!«, rief Albert Gothmann entsetzt.
    »Ach was, ich falle schon nicht herunter. Und so hoch ist es auch wieder nicht.« Sie lachte erneut, als sie sein bestürztes Gesicht sah, woraufhin er weiteren Tadel unterließ. Allerdings begann er wieder, mit dieser ernsten Stimme zu dozieren: »Das sind gewiss Ruinen von der ersten Befestigung. Montevideo war immer von einer Mauer umgeben, schon 1726 , als die Stadt gegründet wurde – damals noch zum Schutz gegen die Portugiesen. Vor einigen Jahren wurden die übrigen Festungsmauern geschliffen, weil die Stadt für die vielen Bewohner zu klein wurde.«
    Rosa achtete nicht auf seine Worte. Warum sprach er ständig über Dinge, die so lange zurücklagen? »Kannst du auch balancieren?«, fragte sie. »Oder hast du Angst, dass du herunterfällst?«
    Albert trat näher an die Mauer heran, um sie notfalls aufzufangen, bestieg sie jedoch

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