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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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und ließ auch heute den Großteil des gebratenen Huhns und den Fladen für Luis übrig. Ehe der sich an den Tisch setzte, sprach er mit dem Wirt, um Erkundigungen einzuziehen, und als er wiederkehrte, war er blass im Gesicht und rührte das Essen nicht an.
    »Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten …«
    Claire stockte der Atem. »Hast du irgendetwas von Valeria gehört?«
    »Nein, wie sollte ausgerechnet hier jemand von ihr wissen?«
    »Was ist es dann?«
    Luis seufzte. »Allen Beteiligten war stets klar, dass der Krieg gegen Paraguay nur vorübergehend zum Erliegen gekommen ist. Anscheinend sind die Kampfhandlungen neu ausgebrochen. Die Allianz hat ihre Wunden ausreichend geleckt und nun neue Vorstöße unternommen. Offenbar ist das erklärte Ziel, Humaitá einzunehmen.«
    »Humaitá?«, fragte Claire verständnislos.
    »Das ist eine Festung nördlich jenes Punktes, wo der Río Paraná und der Río Paraguay zusammenfließen. Sie liegt inmitten malariaverseuchter Sümpfe und ist strategisch von höchster Bedeutung, denn hier werden durch schwere, über den Fluss gespannte Eisenketten sämtliche Schiffe an der Weiterfahrt gehindert. Um das Hinterland zu besetzen, muss die Allianz Humaitá kontrollieren.«
    Claire sah ihn betroffen an. »Womöglich ist Valeria längst in unmittelbarer Nähe der Kämpfe.«
    »Keiner weiß im Augenblick, wo sie stattfinden und wie erbittert der Widerstand der Paraguayer ausfällt.«
    »So oder so – ihre Entführer werden in dieser Lage nicht so schnell Verhandlungen mit den de la Vegas’ aufnehmen. In Friedenszeiten wäre das denkbar gewesen, nicht im Krieg.«
    Luis schien nach Worten zu ringen, die ihr Mut machen sollten, aber es fielen ihm keine ein. »Es … es tut mir leid«, murmelte er lediglich.
    »Wir müssen so schnell wie möglich nach Montevideo zurück.«
    Er nickte. »Morgen früh brechen wir zeitig auf, aber für heute ist es zu spät. Es wird bald dunkel.«
    Claire war sich immer darüber im Klaren gewesen, dass der Waffenstillstand nur eine vorübergehende Atempause war – warum sonst hätte Julio Waffen importiert und die Paraguayer sie gestohlen? Aber insgeheim hatte sie an der Hoffnung festgehalten, dass Valeria zurückkommen würde, ehe die Kämpfe neu begannen. Doch nun …
    Ich kann mir nicht einmal sicher sein, dass sie noch lebt, dachte sie. Wie unwahrscheinlich ist es, dass sie wohlbehalten nach Hause zurückkehrt!
    Während der letzten Wochen hatte sie stets die Fassung wahren können, doch nun liefen ihr plötzlich Tränen aus den Augen. Mit gesenktem Kopf verließ sie die Gaststube und stieg hoch in das kleine Zimmer, das sie gemietet hatten. Bis jetzt hatte es Luis, der wie so häufig im Stall schlafen würde, nicht betreten, aber heute folgte er ihr, wenngleich er unschlüssig auf der Schwelle verharrte.
    »Es tut mir so leid«, wiederholte er.
    Claire kämpfte um ein Lächeln und wollte ihm beteuern, dass er sich keine Sorgen um sie machen müsste, sie würde damit schon fertig werden, es treffe sie nicht unvorbereitet, sie wäre stark genug, es zu ertragen, doch als sie den Mund aufmachte, brachte sie nur ein Schluchzen hervor.
    Da gab es kein Halten mehr für ihn. Er eilte auf sie zu, nahm sie in die Arme und zog sie an sich. Sie weinte nun hemmungslos, weil sie so verzweifelt war – und fühlte sich zugleich unendlich beschützt und getragen. Es war ein fremdes Gefühl. Ihr Leben lang hatte meist sie für andere die Verantwortung übernommen – nicht nur für Valeria, auch für ihren Vater. Carl-Theodor war eigentlich kein schwacher Mensch, aber immer so melancholisch, und in seiner Nähe hatte sie sich stets verpflichtet gefühlt, die Unnahbarkeit der Mutter wettzumachen, indem sie sich als fröhliche, liebevolle Tochter gab. Alle düsteren Gedanken, alle Sorgen und Nöte musste sie von ihm fernhalten. Luis jedoch verlangte keine Schonung von ihr – Luis war ein Mann, der jede Prüfung stoisch trug und vor einer weinenden Frau nicht zurückwich.
    Er strich ihr über die Haare, etwas ungelenkig und verlegen, aber er hörte nicht auf damit. »Süße, tapfere Claire …«, flüsterte er.
    »Ich bin nicht tapfer, im Gegenteil«, rief Claire unter Tränen. »Valeria nannte mich immer Hasenfuß.«
    »Hättest du sie so verzweifelt gesucht, wenn es so wäre?«
    »Trotzdem … Wenn mir das Gleiche widerfahren wäre wie ihr, ich wäre schon vor Angst gestorben.«
    »Nun, du wärst nicht so dumm gewesen, nächtens eine Lagerhalle voller

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