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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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mehr einlegen – womöglich verfolgt uns Pablo. Je eher wir erst Argentinien, dann Uruguay erreichen, desto besser.«
    Nichts lag in seiner Stimme, das von dem Schmerz kündete, seinen Bruder zu verlassen und seine Heimat zu verraten. Doch Valeria wusste, wie groß das Opfer war, das er für sie brachte, das ihn zu ihrem Helden werden ließ, in seinem Land aber zum feigen Deserteur. Kein Fleckchen auf dieser Welt gab es nun, auf dem er willkommen und sicher war – nur in ihren Armen.
    Dieses Opfer muss sich lohnen, dachte sie, ich verspreche dir – es muss sich für dich … für uns beide lohnen.

22. Kapitel
    A uf dem Rückweg nach Montevideo durchkreuzten Claire und Luis das fruchtbarste Gebiet Uruguays, den Rincón de las Gallinas, wo ständig wilde Rebhühner hochflatterten. Die Landschaft wurde wieder etwas eintönig, aber nie so karg wie in den Steppengebieten: Feines, etwa ein Fuß hohes Campos-Gras bewuchs die sanften Hügel und raschelte unter den Hufen ihrer Pferde. In der Nähe der Stadt Mercedes reihte sich Hacienda an Hacienda, wo einträglicher als anderswo Pferde und Rinder gezüchtet wurden. Nie war Claire so großen Herden wie hier begegnet: Schon die kleineren zählten fünfhundert Tiere, andere bis zu zweitausend. Und gemeinsam mit den Rindern grasten Schafe und Pferde.
    »Das meiste Fleisch des Landes stammt von hier«, erklärte Luis. »Aber auch wenn sich hier viele Viehzüchter eine Existenz aufbauen konnten – es ist ein hartes Geschäft, nicht zuletzt, weil es zu wenig Knechte gibt und diese noch dazu oft faul sind und davonlaufen, wenn Stürme oder Ungewitter aufziehen. Die Tiere sollten eigentlich in der Nacht in ein Gehege getrieben werden, aber die Hirten vergessen es häufig oder haben keine Lust dazu.«
    »Das würde dir nie passieren, würdest du hier auf dem Land arbeiten«, sagte Claire und musste lachen, weil seine Stimme empört und ungläubig geklungen hatte, als er von den faulen Knechten sprach.
    »Dir doch auch nicht«, erwiderte er ernsthaft.
    Das konnte sie nicht leugnen. Verglichen mit Luis, kam sie sich oft verwegen vor, aber insgeheim schätzte sie am meisten an ihm, dass er ihr so ähnlich war – vernünftig, besonnen und verlässlich.
    Leider neigte sich ihre gemeinsame Zeit dem Ende zu, und schon jetzt hatte sie große Angst vor dem Augenblick, da sie sich von ihm verabschieden würde. Was würde aus ihnen werden, wenn sie nach Montevideo zurückgekehrt waren? Würde er sich einfach zurückziehen und wieder zur Tagesordnung übergehen?
    Sie hatte geglaubt, der Kuss würde neue Nähe schaffen, doch bedauerlicherweise hatte er eher das Gegenteil bewirkt: Anstatt ihr seine Liebe zu gestehen, wie sie es insgeheim erhofft hatte, hatte er sich dafür entschuldigt, dass er ihr zu nahe getreten wäre und ihre Notlage ausgenützt hätte. Es nützte nichts, darauf zu pochen, dass er sie nicht überrumpelt hatte – dass sie ihn vielmehr zuerst geküsst hatte. Fortan redeten sie über die Landwirtschaft, die Flora und Fauna und die Reiseroute – aber nicht über sie beide und nicht, wie es weitergehen sollte. Mehr als einmal stand Claire knapp davor, ihn noch einmal zu küssen und ihre Gefühle für ihn zu bekennen, aber am Ende hielt sie jedes Mal die Angst davon ab, dass er noch distanzierter reagieren würde.
    Die Hügel wurden immer höher, der Boden wurde grauer, und die Wege waren von Felsen übersät, als sie die Sierra de las Ánimas erreichten, Uruguays höchstes Gebirge.
    Das Reiten wurde zunehmend mühselig, und Luis erklärte eines Tages, sie müssten der Pferde wegen eine längere Pause einlegen. Claire war sich nicht sicher, ob er wirklich die Tiere schonen wollte und nicht vielmehr sie, aber die Lüge kam ihr recht. Auch wenn er ihre Gefühle nicht erwiderte, war sie dennoch froh über jeden Augenblick, den sie an seiner Seite verbrachte.
    Sie kehrten in San José ein – einem kleinen Ort mit einer turmlosen Kirche, ein paar erstaunlich schönen Häusern und einer kreisrunden Plaza, an der diverse Läden grenzten. Sie standen an allen vier Seiten offen, und hier konnte man nicht nur Seife, Glas, Metall oder Nahrungsmittel und Getränke kaufen, sondern auch Billard spielen.
    Eines der Gebäude war ein Wirtshaus, wo sie sich stärkten. Claire hatte nie sonderlich viel Appetit gehabt, doch seit dem Aufbruch kam ihr jeder Bissen wie ein Verrat an Valeria vor. Sie aß stets nur so viel, wie es nötig war, um nicht mit hungrigem Magen schlafen zu gehen,

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