Die Rosen von Montevideo
aus dem Gesicht und sah in seinem Gesicht nicht einmal Lust oder Gier, nur Verbissenheit.
Grimmig knetete er ihre nackte Haut und hinterließ rote Flecken. Sie wehrte sich hartnäckig, als er ihre Beine auseinanderdrückte, und als er sich auf sie legte, zerkratzte sie sein Gesicht. Er zuckte nicht einmal zurück, presste sie nur noch brutaler zu Boden und hob abermals die Hand, um auf sie einzuschlagen.
Sie schloss die Augen, wappnete sich gegen den Schmerz, glaubte, das Klatschen schon zu hören, noch mehr Blut zu schmecken.
Doch der Schlag blieb aus. Statt des Klatschens erklang ein dumpfes Poltern.
Als Pablos schwerer Leib reglos auf ihren sank, wuchs ihre Panik. Sie dachte schon, unter ihm zu ersticken wie damals unter Jorge, strampelte mit den Beinen, konnte sich aber nicht von der Last befreien. Doch dann wurde der Körper zur Seite gerollt, und Valentíns Gesicht beugte sich über ihres. Er hielt ein Messer in der Hand, mit dessen Knauf er auf den Bruder eingeschlagen hatte. Er schien ihn an der Schläfe getroffen zu haben, wo der Schlag einen roten Fleck hinterlassen hatte.
»Mein Gott, ist er etwa …?«
»Nein, er atmet noch und kommt sicher bald zu sich. Wir müssen schleunigst weg von hier.«
Er zog sie an den Armen hoch und riss sie mit sich. Verspätet durchflutete sie die Erleichterung, dass sie gerettet war, vor allem aber, dass er sie nicht im Stich gelassen hatte.
»Ich dachte, du hättest mich einfach …«
Wieder fiel er ihr ins Wort, ehe sie den Satz zu Ende bringen konnte: »Ich musste Pablo vorspielen, dass ich ohne dich ginge. Nur auf diese Weise konnte ich euch unauffällig folgen und nun die Gelegenheit nutzen. Los, beeilen wir uns, selbst wenn Pablo nicht so bald erwacht, könnten die anderen auf uns aufmerksam werden.«
Nicht weit von der Stelle, wo Pablo über sie hergefallen war, hatte Valentín sein Pferd angebunden. Er half ihr beim Aufsteigen, setzte sich hinter sie und gab dem Tier die Sporen. Valeria fühlte sich noch ganz benommen nach den Schlägen, dem Gerangel und dem ausgestandenen Schrecken, doch der Wind, der ihr ins Gesicht blies, vertrieb die schlimmen Erinnerungen. Wie sie da vor Valentín im Sattel saß, fühlte sich ihr Körper, dessen Glieder eben noch geschmerzt hatten, mit einem Mal ganz leicht an, ganz so, als würde sie fliegen. Pablos grobe Berührungen waren ihr unerträglich gewesen, aber an Valentín klammerte sie sich ohne Scheu. Nichts Fremdes, Beängstigendes verhieß er, nur die tröstliche Gewissheit, dass er ihr Beschützer war, dass er sich gegen seinen Bruder entschieden hatte und dass er ihretwegen seinem Lebensweg eine neue Richtung gegeben hatte – genauso wie sie dem ihren. Sie wusste nicht, wohin er führen würde, wusste nur, dass sie nichts in ihrem Leben je so genossen hatte wie diesen Ritt, die Freiheit, die er versprach, die Ungebundenheit, das Abenteuer. Nie wieder wollte sie darauf verzichten.
Nach einer Stunde hielten sie an einem Bach, auf dessen glitzernde Oberfläche hohe Bäume ihre Schatten warfen, und tranken, bis ihr Durst gestillt war. Nach all der Aufregung und Anstrengung hatte Valeria das Gefühl, nie etwas so Köstliches geschmeckt zu haben wie dieses klare, kalte Wasser.
Als sie sich erhob und den Mund abwischte, merkte sie, dass Valentín sie anstarrte. Seine Wangen waren gerötet, seine Miene war ernst – und ernst klangen auch die Worte, die er so unbeirrbar vortrug, als spräche er einen Schwur. »Es war ein Fehler, es nicht schon früher getan zu haben, aber nun werde ich nicht länger zögern, dich in deine Heimat und zu deiner Familie zurückzubringen.«
Wochenlang hatte sie genau darauf gehofft, aber nun fühlte sie keine Freude – nur Sorge. »Aber wenn du uruguayischen Boden betrittst, bringst du dich in Gefahr!«
»Sei’s drum – dieses Wagnis will und muss ich eingehen. Ich fürchte nur, dass du weitere Strapazen auf dich nehmen musst, bis wir es geschafft haben.«
Sie trat zu ihm. »Das macht mir nichts aus, solange wir nur zusammen sind.«
Eine Weile blieb er steif stehen, schien ihre Nähe, die Wärme ihres Körpers zu genießen, doch dann trat er kopfschüttelnd zurück. »Du wirst besser dran sein, wenn du mich endlich los bist«, murmelte er.
»Aber das will ich doch gar nicht!«, begehrte sie auf. »Ich war früher nicht glücklich, zumindest nicht so wie jetzt … Ich will nicht, dass wir eines Tages voneinander scheiden. Ich will an deiner Seite leben, und …«
Ein
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