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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Neugierde gewesen, überzeugt, alle Ziele zu erreichen, und so naiv zu glauben, das Leben fügte sich schon den eigenen Wünschen, packte man es nur bei den Hörnern wie einen wilden Stier. Aber dann war ihr Mann früh gestorben, das einzige Kind, das sie geboren hatte, auch, und alle Kräfte, die in ihr wuchsen, waren darin aufgegangen, das Geschäft zu halten. Anfangs wollte sie Geld verdienen, um wieder in die Heimat zurückzukehren, aber je mehr Zeit verging, desto unschlüssiger wurde sie, was eine mögliche Heimkehr anbelangte. »Erst wollte ich meiner Familie nicht unter die Augen treten, weil ich das Gefühl hatte, gescheitert zu sein. Und mittlerweile ist meine Familie tot.«
    »Aber Sie sehnen sich immer noch nach Deutschland.«
    »Es geht mir ein wenig wie Ihnen«, bekannte sie, »ich wüsste, was zu tun wäre, kann mich aber nicht aufraffen und sehe mir selbst aus der Ferne zu, wie ich Tag für Tag verstreichen lasse.«
    Er drückte seinerseits ihre Hand, doch nun war sie es, die sie ihm entzog und sich rasch erhob.
    »Es hat mir gutgetan, mit Ihnen zu reden«, sagte er laut. Still dachte er: Selten habe ich mich jemandem so nahe gefühlt.
    Falls sie ahnte, was ihm durch den Kopf ging, so sprach sie es nicht an. »Was werden Sie jetzt tun?«, fragte sie schlicht.
    Energisch stellte Carl-Theodor den Bierhumpen auf die Tischplatte. Das dumpfe Geräusch fuhr ihm durch Mark und Bein. »Eine Nacht drüber schlafen«, sagte er hastig, »und spätestens morgen eine Entscheidung treffen.«
    Sie nickte lächelnd, doch ihr Blick blieb traurig. Er war sich nicht sicher, woher dieser Schmerz rührte: Weil sie selbst keine Kraft fand, eine Entscheidung herbeizuführen – oder weil jener Moment der Nähe zwischen ihnen vorüber war.
    Je länger sie schweigend voreinanderstanden, desto schwerer wurde es, in die Stille hinein etwas zu sagen. Am Ende beugte er sich vor und umarmte sie flüchtig. Sie roch nach Bier, nach gebratenem Fleisch und nach … Feuerholz. Sie roch sehr gut.
     
    Totenstille erwartete ihn im Haus, als er heimkehrte – sämtliche Dienstboten waren mittlerweile schlafen gegangen. Es machte ihm nichts aus, da er sich hier mittlerweile auch im Finstern zurechtfand, doch als er den ersten Stock betrat, bemerkte er, dass es nicht im ganzen Haus stockdunkel war. In seinem Zimmer brannte eine Öllampe, und direkt dahinter saß Claire.
    Wie schmal sie aussah, wie blass!
    »Klärchen, um Himmels willen!«, entfuhr es ihm. »Warum schläfst du denn nicht?«
    Sie blickte hoch. »Ich finde einfach keine Ruhe«, murmelte sie, »ich habe dich gesucht, aber du warst nicht da …«
    »Hast du noch Schmerzen im Bein?«
    Als er von ihrem Sturz vom Pferd gehört hatte, hatte ihn sein schlechtes Gewissen fast verrückt gemacht. Kaum auszudenken, was alles hätte passieren können. Sie hätte sich eine schlimmere Verletzung als einen Beinbruch zuziehen oder gar von einer Kugel getroffen werden können. Niemals hätte er sie allein nach Valeria suchen lassen sollen … und jetzt wäre es wohl am besten, sie so schnell wie möglich nach Hause zu bringen.
    Sie schien zu ahnen, was hinter seiner Stirn vorging. »Ach Papa«, sagte sie schnell, »du musst dir keine Sorgen machen. Mein Bein ist gut verheilt.«
    »Aber du bist unglücklich«, stellte er fest. »Schließlich hast du sehen müssen, wie Valeria …«
    Sie brachte ihn mit einer abrupten Handbewegung zum Schweigen. Der Gedanke an ihre Cousine schien zu schmerzlich. »Es ist noch etwas anderes, es ist …«
    Sie brach ab.
    Carl-Theodor lächelte traurig. Wieder überkam ihn ein schlechtes Gewissen. In der Lethargie der letzten Wochen hatte er geflissentlich ignoriert, dass seine Tochter ihr Herz offensichtlich an diesen Luis Silveira verloren hatte. Er hatte es zwar deutlich gespürt, aber nicht nachgefragt.
    »Es hat mit diesem Mann zu tun, nicht wahr?«, fragte er.
    Röte überzog ihr Gesicht. »O Papa!«, platzte es aus ihr heraus. »Als wir gemeinsam unterwegs waren … Ich konnte es manchmal nicht fassen, dass man gleichzeitig so voller Sorge sein kann … und so glücklich.«
    »Und jetzt fühlst du dich immer noch zerrissen.«
    »Das allein ist es nicht. Seit unserer Rückkehr nach Montevideo hat sich etwas zwischen uns verändert …«
    »Du meinst, Luis Silveira hegt doch keine ernsten Absichten?«
    »Doch, doch. Er … er hat gefragt, ob ich ihn heiraten will.«
    »Oh«, entfuhr es ihm überrascht.
    »Papa, ich weiß, du hast dir vielleicht

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