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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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einen anderen Bräutigam vorgestellt, einen reichen Kaufmann, aber …«
    »Darüber mache ich mir keine Gedanken«, unterbrach er sie rasch. »Luis Silveira übt einen ehrenwerten Beruf aus, scheint pflichtbewusst und voller Anstand. Ich bin ihm dankbar, dass er dir in all den Wochen deiner Genesung zur Seite stand, und hätte ich keinen guten Eindruck von ihm gehabt, hätte ich dich ihm niemals anvertraut, als du dich auf die Suche nach Valeria gemacht hast. Aber wenn er dich heiraten will und du ihn – warum hat er nicht längst bei mir um deine Hand angehalten? Warum seid ihr dann noch nicht verlobt?«
    Sie atmete tief durch. »Es ist wegen Valeria … und dem Krieg. Er will unbedingt warten. Und ich weiß selbst, es ist in dieser Lage eigennützig, nur an mich zu denken und an mein Glück, aber manchmal habe ich Angst … Angst, dass irgendetwas passiert … was unsere Heirat verhindert. Luis ist oft so distanziert … Es ist so schwer, ihm nahe zu sein, und das Glück mit ihm erscheint mir als so zerbrechlich.«
    »Ach Claire …«
    Ihm fiel nichts anderes ein, als sie in den Arm zu nehmen.
    »Ich gehe davon aus, dass du mich nicht nach Deutschland begleiten willst«, sagte er nach einer Weile.
    »Du hast vor, abzureisen?«
    »Es ist längst fällig … Ich will … Ich muss Tante Rosa und Onkel Albert selbst die schreckliche Nachricht überbringen.«
    »Wann hast du diese Entscheidung getroffen?«
    »Wenn ich ehrlich bin – gerade eben. Ach, weißt du, Klärchen, mir ist gerade aufgegangen, dass es manchmal gilt, Geduld zu haben – aber manchmal das Leben entschlossen anzupacken. Wenn du das Gefühl hast, mit diesem Luis glücklich zu werden, dann sag ihm das – sag ihm das jeden Tag! An Valerias Geschick und dem Krieg kannst du nichts ändern – schon gar nicht, wenn du auf dein Glück verzichtest.«
    Sie löste sich von ihm. »Ich werde dich sehr vermissen.«
    Sie wünschte ihm eine gute Nacht und verließ den Raum.
    Nachdenklich blickte er ihr nach.
    Sie ist ja erwachsen geworden, ging ihm auf. So schrecklich erwachsen …
    Er wusste nicht, ob er darüber froh sein sollte oder tief bekümmert. Claire hatte nie besonders kindlich gewirkt, immer vernünftig vielmehr und so reif, aber jetzt lag etwas in ihrem Blick, das ihm fremd war. Es mochte von der Liebe rühren, die sie für Luis Silveira empfand, aber vielleicht auch von der Begegnung mit der rauhen Wirklichkeit.
    Letzteres hätte er ihr gerne erspart, doch er wusste, dass das nicht möglich war. Sie war kein kleines Mädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau, die ihre eigenen Entscheidungen traf, und das Einzige, was er tun konnte, war, ihr zu vertrauen.
    Seufzend legte er sich aufs Bett und hoffte, ein paar Stunden Schlaf zu finden. Wenn er Glück hatte, legte schon morgen das nächste Schiff nach Hamburg ab.
     
    Leonora wusste nicht genau, wann ihre Verbitterung begonnen hatte, wann sie aufgehört hatte, laut und schallend zu lachen, und seit wann es ihr schwerfiel, sich über die kleinen Dinge zu freuen. Es war ein schleichendes Gift, das ihr Stunde um Stunde das Leben mehr vergällte. So langsam hatte es seine lähmende Wirkung entfaltet, dass sie es erst gar nicht bemerkt hatte. Doch irgendwann hing sie im Netz fest, wie die Fliege bei der Spinne, und ihr blieb einzig die Entscheidung, auf schnelle Bewegungen zu verzichten, die die Qual nur vergrößern würden. Durchs Stillhalten war zwar auch kaum etwas gewonnen, jedoch ein wenig Zeit, bis die Spinne aufmerksam wurde.
    Niemand sah ihr an, dass sie zutiefst unzufrieden war, und sie selbst hätte diesen Umstand aufs heftigste geleugnet. Schließlich hätte sie es viel schlechter treffen können: Als Tochter eines Kaufmanns hatte sie als Kind ein angenehmes Leben geführt. Sie war früh mit einem Mann verheiratet worden, den ihr Vater ausgesucht hatte, ehe sie ihr Herz anderweitig brechen ließ, und Julio war einer, den man aushalten konnte: Er schlug sie nicht, trank zwar gerne, aber nie bis zur Besinnungslosigkeit, und fluchte nicht auf Gott – zumindest nicht in ihrer Gegenwart. Dass sie nur ein Kind und obendrein eine Tochter geboren hatte, war eine schlimme Schmach für ihn, doch offen vorgeworfen hatte er es ihr nie. Sie selbst hatte nie einen Sohn vermisst, und die Geburt eines Kindes einmal im Leben zu durchleiden, genügte in ihren Augen vollends. Sie verstand nicht, dass sie ihre Schwestern ausgerechnet deswegen bemitleideten, anstatt zu erkennen, dass ein anderes

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