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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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gedacht … Ach, Tante Leonora, du warst immer so freundlich zu mir!«
    Leonora bereute das zutiefst.
    »Gütiger Himmel, Valeria!«, stieß sie aus. Zu ihrem Entsetzen ergriff Valeria mit ihrer dreckigen Klaue ihre Hand.
    »Tante Leonora, bitte! Es geht nicht nur um mich – sondern vor allem um Valentín! Er darf eigentlich nicht hier sein, er stammt doch aus Paraguay.«
    Leonora fielen fast die Augen aus dem Kopf. Darum sah dieser heruntergekommene Fremde ständig über seine Schultern. Er war ein Feind. Mitten auf Montevideos belebten Straßen.
    »Zählt er etwa zu den Männern, die dich entführt haben!«, rief Leonora entsetzt.
    »Ohne Valentín wäre ich ihnen immer noch schutzlos ausgeliefert. Bitte, Tante Leonora, du musst mir versprechen … Onkel Julio darf nichts von meiner Rückkehr erfahren, noch nicht … Du musst mir helfen, mit Claire zu reden. Sie hat bestimmt eine Idee, was wir nun tun sollen.«
    »Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Du … du bist doch verschleppt worden und …«
    »Ja, von Valentíns Bruder, aber Valentín hat mich befreit. Eine lange Reise liegt hinter uns. Wir sind am Ende unserer Kräfte.«
    Leonora musterte sie. Nur langsam reifte ihr Verständnis – umso schneller kam Wut. Sie selbst hatte kein Leben gehabt, das sich verschwenden ließ – aber Valeria, mit ungleich mehr Vorzügen geboren, warf ihres einfach fort. Sie war schön, noch jung, Europäerin, reich – und flehte nun um das Leben eines Paraguayers. Sie war eine Frau, der man wohlwollende Blicke nachwarf, die mit Komplimenten überhäuft wurde und über die niemand spottete – aber anstatt zuzusehen, dass sie sich schleunigst wusch und kämmte und wieder liebreizend kleidete, setzte sie all ihr Trachten darauf, einem Feind zu helfen.
    »Tante Leonora, Valentín Lorente ist ein ehrenwerter Mann. Du musst ihm, du musst … uns helfen.«
    Es gab ein
Uns?
    Leonora betrachtete den Fremden erneut. Kurz sah sie ihm sogar in die Augen – und dann gleich wieder erschaudernd weg. Nicht dass er Anstalten machte, sie anzugreifen oder Ähnliches. Doch die Männer aus Paraguay waren schlimmer als Raubtiere, das wusste hier jeder, sittenlos, verroht und grausam. Das Mädchen musste seinen Verstand verloren haben, für solchen Abschaum Hilfe zu erbetteln. Und ausgerechnet Valeria hatte sie beneidet! Ausgerechnet Valeria hatte sie ihrer Tochter als Vorbild hochgehalten! Ausgerechnet Valeria hatte vor ihrer Entführung so viel Bitterkeit in ihr geweckt, weil sie ihr so deutlich vor Augen hielt, was ihr alles fehlte!
    Sie überlegte fieberhaft, was sie nun tun sollte.
    »Tante Leonora …«
    Leonora hatte große Mühe, ihre Verachtung zu unterdrücken, aber am Ende gelang ihr ein freundliches Lächeln. Es war ihr ja auch immer gelungen, ihre Bitterkeit zu verbergen.
    »Ihr kommt am besten mit nach Hause. Keine Angst, dein Großvater ist nicht da … und Julio auch nicht. Aber Claire freut sich bestimmt, dich zu sehen.«
    Warum hatte sie sich jemals geschämt, keine Europäerin zu sein? Warum hatte sie sich in Valerias Gegenwart je unnütz, alt und hässlich gefühlt?
    Dass Valeria scheinbar keinen Stolz besaß, war schlimm genug, aber dass es auch an eigenem gefehlt hatte, nahezu unerträglich.
    »Denkst du wirklich …«, setzte Valeria an.
    »Jetzt sorge ich erst einmal dafür, dass ihr etwas zu essen bekommt – und frische Kleidung«, unterbrach Leonora sie.
    Obwohl es sie zutiefst anwiderte, umarmte sie das Mädchen.
    »Es wird alles gut werden. Für dich und diesen … diesen …«
    »Valentín Lorente!«, rief Valeria. Ihr Blick war bang und der des Fremden misstrauisch, aber als Leonora sie mit sich zog, wehrte sich Valeria nicht, und der Paraguayer trottete ihnen nach wie ein treues Hündchen.
    Gut so. Um sie in Sicherheit zu wiegen, würde sie ihnen tatsächlich jede Wohltat angedeihen lassen. Doch sobald sie hinter ihrem Rücken Julio informiert hatte und jener die Obrigkeit, würde dieser Schuft nie wieder eine nahrhafte Mahlzeit erhalten. Und Valeria würde bis ans Ende ihrer Tage bereuen, nicht sorgsamer mit den Gaben umgegangen zu sein, die ihr das Leben überreich in den Schoß geworfen hatte.

24. Kapitel
    A ls Valentín nach langer Ohnmacht erwachte, erwarteten ihn schreckliche Schmerzen. Er wusste nicht genau, was am meisten weh tat – ob das geschwollene Auge, die blutigen Lippen oder der wunde Kiefer, ob der Bauch, der so viele Schläge abbekommen hatte, oder der Arm, den man ihm

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