Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
Privatkundengeschäft mitmischten – und dass die Aktienbanken immer mächtiger wurden: Bald würden Bankiers wie er nicht länger deren Partner sein. Folglich galt es, neue Pläne zu schmieden – und seiner war, auf Nischen zu setzen, den Wertpapierverkehr zur eigentlichen Domäne zu machen und die bisherigen Stärken auszubauen – die persönliche Betreuung der Kunden, die Bearbeitung von Spezialproblemen und die vielgerühmte Diskretion.
    Ebenfalls zum Vorteil gereichte nicht zuletzt ihr Engagement im Kolonialhandel. Leider Gottes wurden die einst so engen Beziehungen zum südamerikanischen Kontinent seit Carl-Theodors Tod immer brüchiger, aber ihm war es gelungen, ein paar Kontakte nach Nordamerika herzustellen und Kredite dorthin zu verleihen.
    Ja, alles in allem hatte er das Bankhaus heil durch die Krise geführt, und nun, Ende der achtzig er Jahre, profitierte er vom allgemeinen Wohlstand.
    In den ersten Tagen des neuen Jahres war Albert also ein zufriedener Mann. Er mochte es, dass das Haus noch weihnachtlich geschmückt und der Garten verschneit war, und anstatt an seinem geliebten Schreibtisch zu sitzen und die Holzplatte zu streicheln, stand er auf und trat ans Fenster. Eine Weile blickte er hinaus und lauschte den gedämpften Klängen, die im Salon erklangen: Klavierspiel und Gesang.
    Das erste Mal, als er die Musik gehört hatte, war er zusammengezuckt und hatte sich an die unheilvolle Zeit erinnert, als Rosa von Fabien Ledoux unterrichtet worden war. Aber dann hatte die Freude überwogen, dass Tabitha endlich etwas gefunden hatte, das sie mit Leidenschaft verfolgte und an das sie ihr Herz hing. Und was Rosa anbelangte – nun, mit dem Zustand seiner Ehe konnte er ebenfalls durchaus zufrieden sein. Auch dieses Glück war ein leises, das auf überschwengliche Gefühle verzichten musste, aber sich aus Routine und Verlässlichkeit nährte. Sie verbrachten nur wenig Zeit miteinander und hatten das Schlafzimmer ebenso wenig wieder geteilt wie jene starken Gefühle, als sie noch jung waren. Es blieb ein Rest an Misstrauen und unausgesprochenen Vorwürfen, die das Schweigen zwischen ihnen immer ein wenig angespannt erscheinen ließen, denn er konnte nicht vergessen, was sie mit Fabien getrieben hatte, und sie nicht, dass er ein Mörder war. Aber sie teilten die Trauer um Valeria, das schlechte Gewissen gegenüber der toten Tochter und die Entschlossenheit, Tabitha gute Großeltern zu sein. All das knüpfte ein stabiles Band. Überdies erfreuten sie sich vieler liebgewonnener Rituale – ob nun gemeinsame Abendessen, Gottesdienstbesuche, Empfänge oder Opernabende. Rosa trat formvollendet auf und erfüllte ihn mit Stolz; Tabitha galt als eine der besten Partien Frankfurts, und ihm selbst wurde der Respekt eines erfolgreichen, alteingesessenen Bürgers der Stadt zuteil.
    Ein wenig Sorge bereitete es ihm, dass seine Enkeltochter noch keinen Bräutigam erwählt hatte – schließlich hatte er ihr immer wieder vielversprechende Männer vorgestellt, in der Hoffnung, dass sich daraus eine Romanze entwickelte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sie schon deutlich in die eine oder andere Richtung gedrängt, doch Rosa ermahnte ihn stets, ihr die Freiheit zu lassen und auf ihr Herz zu hören: »Ich werde nie vergessen, wie mich mein Vater mit diesem schrecklichen, alten Ricardo del Monte verheiraten wollte. So etwas werde ich Tabitha nie antun!«
    Albert fand, dass man das nicht vergleichen konnte, hätte er bei der Auswahl von Tabithas künftigem Gatten doch deutlich mehr Feingefühl bewiesen als der despotische Alejandro de la Vegas, dem es nicht zuletzt um den eigenen Vorteil gegangen war. Aber wie auch immer – er wollte mit Rosa nicht streiten und hoffte, dass Tabitha selbst begreifen würde, dass sie nicht ewig Zeit hatte, über ihr künftiges Leben zu entscheiden.
    Albert trat vom Fenster zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch. Wie immer strich er reflexhaft über die Platte, und da erst entdeckte er den Brief. Offenbar war er heute Morgen abgegeben worden.
    Er blickte das Schreiben verwundert an. Sein Name war darauf geschrieben, aber kein Absender.
    Zögernd öffnete er den Umschlag und las die Zeilen mit zunehmender Verwirrung. Jene satte Zufriedenheit schwand. Der Brief war nicht unterzeichnet, doch seine Botschaft eindeutig:
     
    Sie sollten Bescheid wissen, dass Ihre Enkeltochter eine sehr enge Freundschaft mit ihrem Gesangslehrer Nicolas pflegt. Gewiss haben Sie sie nicht dazu

Weitere Kostenlose Bücher