Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
Tabitha. »Schert euch zum Teufel!«
    »Mutter …«
    »Halt deinen Mund und geh auf dein Zimmer!«
    Isabella war tief betrübt, wagte es jedoch nicht, sich zu widersetzen, und Valeria fühlte dasselbe Mitleid, das sie einst bewogen hatte, ihr schöne Kleider zu beschaffen.
    »Komm mit uns«, murmelte sie. »Claire würde sich freuen, dich zu sehen, und gewiss kommst du viel zu selten aus diesem Haus hinaus. Verschwende deine Zeit nicht mit dieser bösartigen alten Frau.«
    Leonora heulte auf. »Sie wird nicht mit euch kommen! Und dein Mann, wenn er denn noch lebt, wird nicht länger in Montevideo bleiben. Ich werde euch das Leben so schwer wie möglich machen, und am Ende werdet ihr alle von hier verschwinden, dafür sorge ich.«
    Noch wich Valeria nicht zurück, aber als Leonora erneut auf sie losstürmte, um sie zu schlagen, flüchtete sie zur Tür. Leonora verzichtete darauf, abermals die Hand zu heben, keifte jedoch: »Geht! Haut ab! Und wagt es nicht noch einmal, einen Fuß auf diese Schwelle zu setzen. In diesem Haus ist kein Platz für euch!«
    Valeria hätte ihr gerne getrotzt, doch Tabitha nahm ihre Hand und zog daran. »Bitte, Mutter, lass uns gehen. Das hat doch keinen Sinn.«
    »Ja«, erwiderte Valeria, »du hast recht. Das müssen wir uns nicht anhören.«
    Doch ehe sie sich umdrehen und vor der geifernden Hausherrin fliehen konnten, ertönte eine Stimme von der Tür her: »Bleibst du uns die gebotene Gastfreundschaft ebenfalls schuldig, Leonora?«
     
    Valeria traute ihren Augen kaum, und auch Leonora blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. Tabitha wirkte etwas verlegen, Isabella dagegen lächelte erleichtert und fasste sich als Erste: »Was macht ihr denn hier?«
    Im Patio standen Rosa und Albert Gothmann, beide sichtlich angestrengt von der weiten Reise, aber noch nicht bereit, der Müdigkeit nachzugeben. Ihr erster Blick galt Tabitha, der nicht sonderlich überrascht ausfiel. Offenbar hatten sie damit gerechnet, sie hier zu sehen, ging es Valeria durch den Kopf, was wiederum bedeutete, dass sie bereits die Wahrheit über den Rollentausch der Zwillingsschwestern herausgefunden hatten.
    Doch dann nahmen die beiden auch sie in Augenschein, und obwohl Carlota ihnen gewiss erzählt hatte, dass ihre Mutter noch lebte, erbleichte Rosa und schlug sich die Hand vor den Mund, während Albert zu zittern begann.
    »Valeria …«
    Sie starrte ihre Eltern betroffen an, wollte etwas sagen, brachte jedoch nur ein gequältes Räuspern hervor. Rosa und Albert waren alt geworden – und gezeichnet von einem Kummer: dem Kummer um sie. Selbst Tabitha hatte den Verlust der einzigen Tochter nicht wettmachen können, ging es Valeria auf, der Tochter, die sie geliebt haben mussten, auch wenn es ihnen so schwergefallen war, das zu zeigen. Ansonsten würde nicht dieser Schmerz in ihrer Miene stehen, die Fassungslosigkeit, schließlich schiere Überwältigung vor Freude. Beide traten auf sie zu und berührten sie so vorsichtig, als wäre sie ein Geist und könnte jederzeit wieder entschwinden, wenn sie zu beherzt zupackten.
    »Ich konnte nicht glauben, als Carlota mir erzählt hatte, dass du … dass du …«, Rosa brach ab. Sie atmete tief durch. »Als wir davon erfahren haben, sind wir sofort hierher aufgebrochen. Ich dachte, ich würde auf dem Schiff verrückt werden, weil ich es nicht erwarten konnte, mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass du … dass du …« Erneut versagte ihre Stimme.
    »Dass du noch lebst«, brachte Albert an ihrer statt den Satz zu Ende. »Aber warum … warum hast du uns das all die Jahre verschwiegen?«
    Valeria war zu bewegt, um ein Wort hervorzubringen, doch Tabitha trat vor und erklärte: »Sie hat ihren Tod nur vorgetäuscht, um mit Valentín, meinem Vater, zusammenbleiben zu können.«
    Rosa strich ihrer Tochter übers Gesicht, das seit ihrer letzten Begegnung so viel rauher und faltiger geworden war. Beinahe zuckte Valeria zurück, denn eine solche Berührung durch die Mutter war ihr fremd, aber dann las sie etwas in Rosas Miene, das sie ihr näherbrachte: das Glück, eine verlorengeglaubte Tochter wiederzufinden, das sie selbst erst kürzlich erfahren hatte dürfen, als sie Tabitha in die Arme schließen konnte.
    »Mutter …«, presste sie hervor.
    Rosa umarmte sie, und Valeria ließ es zu. Auch als Albert seine Arme um sie breitete, wich sie nicht zurück.
    »Warum hast du das getan? Warum hast du uns nicht vertraut?«
    Valeria war weiterhin unfähig, etwas zu sagen.

Weitere Kostenlose Bücher