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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wuchtiger wirkte. Vielleicht lag das nicht an ihrer wachsenden Leibesfülle, sondern an dem vielen Schmuck, den sie trug, oder an dem unglaublich weiten Kleid aus raschelndem, rotem Taft. Einen Augenblick lang spürte Valeria das ganze Ausmaß der Verzweiflung einer einsamen Frau, die sich von ihrem Mann entfremdet hatte, mit ihrer Tochter nichts anzufangen wusste und Trost im Essen suchte, das sie hatte so unförmig werden lassen, oder in eleganter Kleidung, die diese Unförmigkeit nicht verbergen konnte. Leonoras Blick fiel auf sie. Sie riss die Augen auf, das Doppelkinn begann zu beben, und einen Augenblick lang war nur Überraschung in ihrer Miene zu lesen, nicht die übliche Bösartigkeit.
    Valeria wollte diesen Augenblick nutzen. Sie straffte die Schultern, trat auf sie zu.
    »Ja … ja, ich bin es wirklich«, sagte sie schnell. »Die totgeglaubte Valeria. Claire hat euch damals nicht die Wahrheit gesagt. Ich bin nicht bei Tabithas Geburt gestorben.«
    Leonora japste nach Luft, schien aber kaum atmen zu können. Schweißtröpfchen traten auf ihre gerötete Stirn. Ehe sie die Fassung wiedererlangte, fiel ihr Blick auf Tabitha. »Du … du bist doch in Deutschland …«
    »Nein, dort ist meine Schwester Carlota. Wir haben die Rollen getauscht.«
    Leonora wurde noch verwirrter, doch gerade weil sie nicht begriff, was hier vorging, erwachte ihr alter Zorn. Immer hatte sie sich gegenüber den Frauen aus Europa minderwertig gefühlt – nun war es nicht Mode und Stilsicherheit, die ihr diese voraushatten, sondern das Wissen um äußerst verquere Ereignisse.
    »Was hast du hier zu suchen, Valeria?«, kreischte sie. »Du hast Schande über die Familie gebracht! Du hast dich mit einem Teufel aus Paraguay eingelassen! Meinetwegen hättest du damals verrotten können!«
    Valeria war entsetzt über dieses Ausmaß an Hass, der sich auf sie richtete, doch sie hielt mit fester Stimme dagegen: »Bitte, Leonora, lass die Vergangenheit ruhen. Es sind so viele Jahre vergangen, es ist endlich die Zeit gekommen, Frieden zu schließen. Ich will, dass ihr wisst, dass ich noch lebe, und auch meinen Eltern will ich erklären, warum …«
    Sie brach ab.
    Leonoras Blick war von Valeria zu Tabitha geschweift. Offenbar war es leichter zu verkraften, das Mädchen hier zu sehen. Ihr Atem wurde ruhiger, der Kopf schien nicht mehr gleich zu platzen. Doch als sie das Mädchen musterte, erkannte sie allzu bald, dass dessen Leibesmitte gerundet war – und was das zu bedeuten hatte.
    »Ein Bastard!«, polterte sie los. »Du wagst es tatsächlich, mit einem Bastard unter deinem Herzen dieses Haus zu betreten?«
    Tabitha wurde rot vor Scham – Valeria vor Wut.
    »Du hast kein Recht, meine Tochter zu beleidigen«, erklärte sie trotz aller guten Vorsätze schneidend. »Mich konntest du einst ungestraft einsperren und demütigen – aber bei ihr lasse ich es nicht zu.«
    »Das ist keine Beleidigung, sondern die Wahrheit!«, rief Leonora schrill. »Tabitha ist eine Hure wie ihre Mutter, die nichts als Schande über die Familie bringt!«
    Valeria konnte ihr Temperament nicht länger zügeln. »Welche Familie meinst du denn? Onkel Julio ist doch nie hier, Isabella hat versäumt, glücklich zu werden, und du bist eine verbitterte alte Frau. Es gibt nichts, was dieses Haus noch dunkler und seine Bewohner noch einsamer machen könnte. Über den Namen de la Vegas spottet man gewiss nicht wegen meiner einstigen Schande. Man hat vielmehr Mitleid mit euch und hofft, niemals selbst Teil einer sterbenden Familie zu werden.«
    Leonora stürzte wütend auf sie zu und hob ihre Hand, um sie zu schlagen. Valeria wollte ihr in den Arm fallen, doch ehe sie ihn zu fassen bekam, ertönte hinter ihnen plötzlich ein Schrei. »Mutter!«
    Leonora fuhr herum.
    Isabella stand an der Tür und starrte Valeria mit kalkweißem Gesicht an.
    »Valeria, bist du das? Du lebst?« Anders als bei der Mutter sorgte dieser Umstand bei ihr für echte Freude.
    Valeria rang sich ein Lächeln ab. »Ja, ich lebe. Ich habe meinen Tod damals nur vorgetäuscht, um Valentín zu folgen. Nun habe ich mich entschlossen, zurückzukehren, denn ich brauche Hilfe.«
    Isabella wollte auf sie zugehen, um sie zu umarmen, doch ihre Mutter stellte sich vor sie.
    »Bleib ihr fern!«, herrschte sie sie an. »Die Hure verdient es nicht, dass man freundlich zu ihr ist. Dies hier ist ein ehrenwertes Haus, in dem sie nichts verloren hat, ebenso wie ihre Tochter.« Sie wandte sich wieder an Valeria und

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