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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wenigen Wochen aufholen. Rosa, Albert, die de la Vegas’ und du – ihr müsst gemeinsame Entscheidungen treffen. Nicht nur, was Tabitha anbelangt, sondern auch Carlota. Und deswegen musst du dich mit ihnen aussprechen. Dein Stolz zählt jetzt nicht mehr.«
    Valeria senkte ihren Blick. »Es ist doch nicht nur mein Stolz. Weißt du, als ich damals Tabitha im Stich ließ, habe ich gedacht, dass mich die Liebe zu Valentín dazu treibt. Aber das war nicht der wahre Grund … Ich wusste, wenn ich mit den Kindern zurückbleibe, dann würde ich wohl oder übel wieder bei meinen Eltern Unterschlupf finden. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte sie bestrafen, weil sie immer so kalt gewesen sind.«
    »Tabitha hat erzählt, dass sie sehr liebevolle Großeltern sind.«
    »Ja«, sagte Valeria nachdenklich. »Offenbar wollten sie an ihr wiedergutmachen, was sie bei mir versäumt haben.«
    »Und deswegen ist die Zeit gekommen, ihnen zu sagen, dass du noch lebst. Und den de la Vegas’ ebenso.«
    »Ich weiß.«
    Claire erhob sich, denn eben war Luis mit den beiden Töchtern vor dem Gartentor erschienen.
    Valeria hielt sie an der Hand zurück. »Also gut«, meinte sie, »ich werde morgen zum Haus der de la Vegas’ gehen. Versprich du im Gegenzug, dass du dir nicht länger den Kopf über verlorene Jahre zerbrichst oder wie die Kinder eure Liebe aufnehmen könnten. Wenn Luis dich wie einst fragt, ob du ihn heiraten willst – dann sag ohne Zögern ja. Diesmal darf nichts dazwischenkommen.«
     
    Die Dienstmagd, die Valeria die Tür öffnete, musterte sie erstaunt von oben bis unten und schien sich nicht im Klaren zu sein, wie sie sich gegenüber dem ungebetenen Gast verhalten sollte. Valeria hatte sich ein Kleid von Claire ausgeborgt, und das war durchaus elegant, aber sie trug keine Handschuhe, ihr Haar war strähnig und die Haut gegerbt wie die einer Bäuerin.
    »Doña …?«
    »Gothmann«, sagte Valeria leise. »Mein Name ist Valeria Gothmann. Ich will Julio … ich meine, Señor de la Vegas sprechen.«
    Der Klang ihres Namens bewirkte nichts im Gesicht des Mädchens. Es zögerte immer noch. Doch da trat Tabitha vor, die bis jetzt hinter Valeria verharrt hatte, und die Augen des Mädchens weiteten sich überrascht. »Niña Tabitha! Ich dachte, Sie wären in Deutschland …«
    »Das ist eine lange Geschichte. Wir müssen mit Onkel Julio sprechen, bitte.«
    Das Mädchen wich zur Seite und ließ Valeria und Tabitha eintreten. Schon nach wenigen Schritten wurde Valeria ganz weh ums Herz. Sie hatte zwar nicht viel Zeit in diesem Haus verbracht, aber dennoch wurden Erinnerungen übermächtig – weniger an die bedrückenden Monate, da sie schwanger war und hier eingesperrt wurde, sondern an die Tage nach ihrer Ankunft, als Onkel Carl-Theodor noch gelebt hatte und Claire und sie so aufgeregt gewesen waren, diese fremde Stadt zu erforschen. Die Zukunft war noch so verheißungsvoll gewesen, Tante Leonora noch so freundlich, der Krieg so unendlich weit weg …
    »Señor Julio ist leider nicht hier. Er befindet sich auf Geschäftsreise.«
    Valeria sank das Herz, obwohl sie damit hatte rechnen müssen. Tabitha hatte ihr erzählt, dass er häufig unterwegs war – nicht zuletzt, um vor seiner Frau zu fliehen –, und sie selbst hatte manchmal in der Zeitung von einem seiner vielen geschäftlichen Erfolge gelesen. Sie hatte zwar immer vorgegeben, dass die Familie de la Vegas sie nicht interessiere, aber heimlich jeden Artikel, jede Fotografie aufmerksam studiert und so erfahren, dass Julio nicht nur an der ersten Telegraphenlinie beteiligt war, die ab 1866 gebaut und einige Jahre später ans britisch-europäische Kabelnetz angeschlossen wurde, sondern auch an diversen Eisenbahnverbindungen ins Hinterland.
    Er war mittlerweile so reich, dass er die Gothmanns nicht mehr brauchte, um seine Stellung zu halten. Wie es aussah, hatte er bekommen, was er wollte – doch richtig glücklich hatte es ihn wohl nicht gemacht, warum sonst würde er ein so unstetes Leben führen, am liebsten so weit weg von den Seinen wie möglich?
    »Soll ich Doña Leonora Bescheid geben?«, fragte das Mädchen.
    Valeria zauderte. »Ich würde lieber mit Isabella sprechen.«
    Zu ihrer Erleichterung nickte das Mädchen und drehte sich um, doch es war zu spät. Ehe es die gegenüberliegende Tür erreichte, trat Leonora ausgehbereit in den Patio. Vor einigen Jahren hatte Valeria sie einmal aus der Ferne gesehen, doch erst jetzt stellte sie fest, dass sie noch

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