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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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weniger leichtsinnig war Gustave Morel nach Paris zurückgekehrt und hatte ein neues Bankhaus eröffnet.
    Ihre Stimme nahm einen wehmütigen Klang an, den Antonie sich nur ungern gestattete, weil er sie zutiefst befremdete. Eigentlich war ihr das Leben bei ihren Eltern doch immer zuwider gewesen, warum vermisste sie es überhaupt? Das Denken ihrer Eltern war ständig nur um ihre Brüder gekreist, obgleich diese Hohlköpfe waren, die nichts taugten. Dass die Tochter einen ungleich schärferen Verstand besaß, war geflissentlich übergangen worden. Carl-Theodor, den sie bei einer Dinnereinladung ihres Vaters kennengelernt hatte, war der Erste gewesen, der mit ihr über Geschäfte sprach und ihr Wissen und ihre Klugheit zu schätzen wusste. Nie hätte sie, hätte er auf diese Weise nicht ihr Herz geöffnet, so rasch, ja nahezu überstürzt seinem Antrag zugestimmt und die erstbeste Gelegenheit genutzt, dem Elternhaus zu entfliehen. Aber es war ein Irrtum gewesen, dass sich ihr Leben an seiner Seite ändern würde. Carl-Theodor erwartete zwar fortan, dass sie sich mit ihm austauschte, ihm Informationen und Ratschläge gab, ihm Hilfe und Stütze war, da er sich oft so überfordert fühlte, und sie ihn mit ihrer Unkonventionalität inspirierte – aber er gestand ihr diese Rolle nur im Geheimen zu. In Gesellschaft erwartete er von ihr, dass sie sich wie ein klassisches Eheweib verhielt, nicht unbedingt zu bescheiden und demütig zwar, aber bereit, zum Gatten hochzublicken und ihm die Führung zu überlassen. Sie wusste – er hatte ihr nie etwas vorgemacht, sie nie in die Irre geführt, doch dass sie es schon nach kurzer Zeit bereute, so schnell geheiratet und überdies derart überzogene Erwartungen an die Ehe gestellt zu haben, lastete sie nicht nur sich selbst an, sondern auch ihm. Und obwohl es klüger gewesen wäre, sich mit seinem heimlichen Respekt zu begnügen, überkam sie immer wieder Verbitterung … oder jene Verachtung, wie sie heute Alberts heulende Frau provozierte.
    »Albert hat versprochen, viel zu reisen. Doch nun …«
    »Nun halten ihn seine Pflichten in Frankfurt, und Carl-Theodor wird es an seiner Stelle tun«, sagte Antonie und strich ihr vermeintlich mitleidig über den Kopf.
    Rosa zog ihn nicht zurück, sondern blickte sie treuherzig wie ein Hündchen an. »Wirst du ihn begleiten?«
    »Vielleicht.« Antonie hatte noch nicht darüber nachgedacht. Manchmal verspürte sie eine Sehnsucht nach einem Ortswechsel, wie diese ihre Jugend geprägt hatten, doch zugleich wusste sie, dass in den meisten Ländern Frauen noch mehr im Schatten ihrer Männer standen als hier. Nur in Frankfurt und Paris hatte sie gebildete, unkonventionelle und selbstbewusste Geschlechtsgenossinnen kennengelernt, und Frauen wie Rosa machten es ihr nicht gerade schmackhaft, Banda Oriental zu bereisen. »Dein Platz ist auf jeden Fall hier«, lenkte sie ab, »und diesen Platz musst du dir erobern.«
    »Aber wie?«, fragte Rosa verständnislos.
    »All diese Familien, von denen ich sprach, wollen dich sicher kennenlernen. Für sie bist du eine Exotin, und das fasziniert ungemein.«
    »Und wie soll ich mich dort verhalten?«
    Antonie zögerte. Erinnerungen an ihr erstes Jahr in Frankfurt stiegen hoch. Zunächst hatte sie viele Vorurteile bestätigt gesehen, wonach die Frankfurter Salons nicht wie die Pariser und Berliner vom Geistigen geprägt wären. Vielmehr hatten die Frankfurter Kaufleute die Köpfe voller Nullen, weil sie seit dem fünfzehnten Jahr im Büro saßen und anstelle eines Herzens nur das Einmaleins in der Brust hatten.
    Aber dann war sie auf immer mehr Ausnahmen gestoßen: Die wohlhabenden Frankfurter Familien begnügten sich nicht mit wirtschaftlichem Erfolg, sondern wollten noch mehr Ansehen gewinnen, indem sie Kunst sammelten, Stipendien für Studenten vergaben, Fachbibliotheken und naturwissenschaftliche Sammlungen förderten. Und da die Männer meist mit dem Geschäft zu tun hatten, waren es nicht zuletzt ihre Frauen, die hier das meiste Engagement bewiesen. Schnell hatte Antonie Freundschaft mit ihresgleichen geschlossen – gebildete Frauen, die sich nicht über Kochrezepte und Mode, sondern über Bücher austauschten.
    »Du bist sehr überschwenglich, nicht wahr?«, stellte sie gedehnt fest. »Du trägst das Herz auf der Zunge und hast nicht die besten Manieren.«
    »Ist das schlimm?«, fragte Rosa erschrocken.
    Antonies Lächeln wurde spöttisch. »Ganz und gar nicht!«, rief sie im Brustton der Überzeugung.

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