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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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»Auf die Frankfurter Familien wird es sehr erfrischend wirken. Sei einfach, wie du bist. Stell alle Fragen, sobald sie dir in den Sinn kommen! Sag zu jedem Gesprächsthema immer gleich das, was dir als Erstes durch den Kopf geht. Alle werden von dir begeistert sein – und das wiederum wird auch Albert erfreuen.«
    Rosa ergriff ihre Hand, und Antonie hatte große Mühe, das Verlangen zu unterdrücken, sie fortzuziehen. »Du … du hilfst mir doch, mich zurechtzufinden, ja? Ich möchte so sehr, dass Albert stolz auf mich ist.«
    Antonie entzog ihr nun doch sanft die Hand. Mehr noch als die Berührung setzten ihr diese Worte zu – und die Leichtgläubigkeit, die diese zum Ausdruck brachten. Auf Hilfe hoffen … den Mann stolz machen … vertrauensselig sein … nicht einmal ahnen, was hinter ihrer Stirn vorging … sich naiv stellen … und erwarten, damit durchzukommen und glücklich zu werden … glücklicher als sie, die ihr Leben lang so sehr zu kämpfen hatte, sich nicht zu verlieren.
    Antonie streichelte erneut über ihren Kopf. »Aber natürlich helfe ich dir.«

6. Kapitel
    R osa war schrecklich aufgeregt. Heute würden die Gothmanns zum ersten Mal nach Albert seniors Tod ihr gesellschaftliches Leben wieder aufnehmen und die Gelegenheit nutzen, ihr neuestes Mitglied, Rosa, den Freunden und Bekannten zu präsentieren.
    Antonie hatte ihr in den letzten Wochen zwar viel darüber erzählt, aber Rosa konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie hierzulande ein abendlicher Empfang verlief. Gewiss, auch in Montevideo hatten sie manchmal Besuch bekommen. Aber nach dem Abendessen hatte sie meistens im Kreise älterer Damen gehockt, die mit den Tanten über den Verfall der Sitten sinnierten, sowie schüchterner, junger Mädchen, die um eine unbeteiligte Miene rangen und ihr Gähnen unterdrückten.
    Hier war offenbar alles anders, und sie wünschte sich so sehr, dass Albert stolz auf sie war! Ihre Nervosität wuchs mit jeder Stunde, und nur der Blick in den Spiegel schenkte ihr ein wenig Selbstvertrauen.
    Sie war so schön anzusehen – nie hatte sie ein derart elegantes Kleid getragen! Es hatte einen weiten Ausschnitt mit achtfach geraffter Umrahmung, die ihr Dekolleté betonte, eine enganliegende Taille, die sie sehr schlank aussehen ließ, breit gebauschte Keulenärmel und Rosengestecke in dem weiten Rock, der in weichen Falten zu Boden fiel. Außerdem trug sie ein Umschlagetuch aus Kaschmir, wie es modern war, und einen Fächer.
    Espe betrat leise ihr Boudoir und musterte sie wohlwollend. »Deine Mutter wäre von deinem Anblick begeistert.«
    »Ich hoffe, Albert ist es auch.«
    »Aber gewiss doch. Seine Augen leuchten jedes Mal, wenn er dich sieht.«
    Was, wie Rosa insgeheim dachte, viel zu selten der Fall war … Aber heute Abend wollte sie keinen trüben Gedanken nachhängen.
    Wenig später bestieg sie gemeinsam mit Antonie und Adele die Kutsche nach Frankfurt. Albert hatte wie so oft noch im Bankhaus zu tun, und Carl-Theodor leistete ihm Gesellschaft, bereitete er sich doch auf seine Reise nach Südamerika vor. Rosa wurde bei der Vorstellung ganz wehmütig zumute, dass er bald an ihrer statt in Montevideo sein und ihrer Familie nur einen Brief von ihr übergeben würde, aber auch daran wollte sie jetzt nicht denken.
    Adele war sehr schweigsam. Bis zum letzten Augenblick war sie unschlüssig gewesen, ob es ihrer fragilen Gesundheit überhaupt zuträglich war, ein Fest zu besuchen. Schließlich hatte sie sich dennoch dazu durchgerungen, versteckte aber ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier.
    Rosa hatte immer eine Scheu vor der Schwiegermutter empfunden, und in Trauerkleidung machte sie ihr sogar Angst, aber sie versuchte, sie nicht zu beachten, und wandte sich aufgeregt an Antonie: »Sag mir noch einmal, was ich wissen muss und wie ich mich verhalten soll.«
    Antonie lächelte auf ihre eigentümliche Art. »Oh, eigentlich musst du gar nichts wissen! Wie gesagt, es genügt, wenn du einfach nur du selbst bist.«
    »Aber erzähl mir doch etwas über unsere Gastgeberin!«
    Wie immer zögerte Antonie erst, ehe sie ihrer Bitte mit jener gnädigen Herablassung folgte, die sie häufig an den Tag legte, und ihr von Clotilde Koch-Gontard berichtete, einer gesellschaftlichen Größe Frankfurts und mit ihrem Mann Robert Koch vom Geist des Liberalismus geeint.
    Rosa hatte keine Ahnung, was Liberalismus bedeutete, aber sie fragte nicht nach. Es war wohl nicht so wichtig – viel mehr zählte, dass Clotilde

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