Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
gesagt.« « Neugierig fügte sie hinzu: »Warst du bei ihm in dieser Nacht?« Beatrice schwieg wieder einmal, was Mae als ein Ja interpretierte.
    »Nun«, meinte sie, und es lag eine gewisse Selbstzufriedenheit sowohl in ihrer Stimme als auch in ihrem Gesichtsausdruck, »du wirst ihn wohl nicht mehr treffen können. Sie bewachen dich ja rund um die Uhr. Diese Geschichte scheint vorbei zu sein.«

     
     
    Guernsey, Juni 1944 bis Mai 1945
     
    In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 begann das »Unternehmen Overlord«, das die Endphase des Krieges und das Ende der Nazi-Diktatur einläutete. In der Normandie landeten am 6. Juni 1944 die alliierten Truppen. Über eine halbe Million amerikanische, kanadische und englische Soldaten gingen dort an Land, und die französische Stadt Cherbourg war drei Wochen später in amerikanischer Hand. Die Deutschen mußten im Westen wie im Osten eine Niederlage nach der anderen hinnehmen. Je schwächer die Armeen wurden, desto lauter erklangen die Kampfparolen der Regierung. Selbst unter den größten Pessimisten auf den Inseln regte sich nun Hoffnung. Er sah so aus, als sei wirklich ein Ende des Schreckens in Sicht.
    Die Alliierten hatten bei ihrer Landung auf dem europäischen Festland die besetzten Kanalinseln für zu unwichtig gehalten, um sie einzunehmen und dabei Verluste zu riskieren, ehe sie in der Normandie zum unmittelbaren Angriff auf Hitlers Truppen ansetzten. Wie vergessene, letzte kleine Stützpunkte des Nazi-Regimes im Atlantik lagen sie nun im Rücken der Invasoren, von einem Tag zum anderen abgeschnitten vom »Großdeutschen Reich«, von dem aus bis dahin die Versorgung organisiert worden war. Seit 1943 hatte zwar vieles nicht mehr richtig funktioniert, da durch die zahlreichen U-Boote vor der französischen Küste der Transport von Nahrungsmitteln und sonstigen Gebrauchsgütern nicht reibungslos vonstatten gehen konnte, aber es waren noch immer Schiffe angekommen, es hatten noch vereinzelt Flugzeuge landen können. Nun bewegte sich nichts mehr. Einzig die Engländer hätten noch Nahrungsmittel schicken können, aber Churchill untersagte jegliche Hilfe für die Kanalinseln. Er wußte, daß alles, was er dorthin schickte, zunächst an die Feinde verteilt würde. Also schickte er nichts. Er ließ seine Landsleute hungern, um den Feind nicht zu unterstützen.
    Die Lage verschärfte sich, als sich das Jahr 1944 seinem Ende zuneigte. Man trank Tee aus Pastinaken oder Brombeerblättern oder Eichelkaffee. Es gab kaum noch Brot, es gab keinen Käse
mehr, kein Fleisch, denn zu viele Menschen hatten vor der Invasion die Inseln verlassen, als daß die Landwirtschaft hätte aufrechterhalten werden können. Und mit dem Einbruch des Herbstes und des Winters wurde alles noch schlimmer.
    Besatzer und Besetzte hungerten gemeinsam. Sie froren, sie litten, sie versuchten sich an erbärmlichen Eigenerzeugnissen, von denen sie nicht satt wurden und zudem Magenbeschwerden bekamen. Sie teilten den Hunger und das Gefühl, vergessen worden zu sein. Der Krieg fand anderswo statt, würde sich anderswo entscheiden, aber sie würden nicht teilhaben. Sie lagen im Rücken einer Invasion, die über sie hinweggerollt war, ohne sie zu berühren, und waren zum Warten verurteilt, konnten nichts tun, nicht kämpfen, nicht siegen, nicht verlieren, nicht sterben. Jedenfalls nicht mit einer Waffe in der Hand.
    Vielleicht aber am Hunger. Am schlechtesten ging es den Häftlingen, die im KZ auf Alderney vegetierten, und den Zwangsarbeitern. Ihre ohnehin kärglichen Rationen wurden zuerst gekürzt, was bedeutete, daß sie fast überhaupt nichts mehr zu essen bekamen und, je nach Konstitution, früher oder später starben. Engländer und deutsche Soldaten hielten sich mühsam über Wasser und sahen sich mit der seltsamen Situation konfrontiert, gewissermaßen in einem Boot zu sitzen, mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen und — auf die eine oder andere Weise — jeweils von den Regierungen ihrer Länder im Stich gelassen worden zu sein. Die Deutschen schimpften auf die Reichsführung, die nichts tat, sie von den Inseln zu holen oder ihnen auf sonst irgendeine Weise in ihrer mißlichen Lage beizustehen, und die Engländer schimpften auf Churchill, der sich nicht scheute, die eigenen Leute zu opfern, um den Gegner buchstäblich auszuhungern. Da das Schimpfen nichts nützte, war jedem klar, daß man versuchen mußte, mit den Umständen, wie sie nun einmal waren, fertig zu werden. Man bildete eine

Weitere Kostenlose Bücher