Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
scheuchte er sie mit einer Handbewegung in ihr Zimmer hinauf; sie breitete dort das halbtrockene, völlig zerknitterte Kleid über einem Stuhl aus und kroch in ihr Bett, erschöpft und benommen; aber so müde sie war, sie fand keinen Schlaf, wälzte sich die ganze Nacht ruhelos hin und her, und als der Morgen kann, wußte sie, daß sie sich bereit machen mußte für die zweite Runde.
Die Befragungen dauerten fast drei Wochen lang an. Erich ließ Beatrice nicht zur Schule gehen, und auch er selbst verließ kaum einmal das Haus. Mußte er fort, so hatten sowohl Helene als auch die beiden wachhabenden Soldaten strikten Befehl, Beatrice keinen
Schritt aus dem Haus tun zu lassen. Es gab keine Chance für sie, Kontakt zu Julien aufzunehmen — was auch nur dann möglich gewesen wäre, wenn es ihm geglückt war, zu den Wyatts zurückzuflüchten, und nicht einmal das konnte sie herausfinden. Sie nahm an, daß sich Mae nach ihr erkundigte, aber sie wurde nicht zu ihr vorgelassen, und Beatrice erfuhr nicht, was man Mae erzählte, um ihr Fernbleiben von der Schule zu begründen. Ob sich die Wyatts sorgten? Ob sich Julien sorgte?
Sie begriff Erichs Taktik: Er isolierte sie. Er isolierte sie von allem, was zu ihrem Leben, zu ihrem Alltag gehörte. Von ihren Freunden, ihren Mitschülern, von den Pflichten und Erfordernissen, die ihren Tagesablauf prägten. Sie war getrennt, allein, ohne Information, ohne Verbindung nach draußen. Dazu über Stunden seinen hämmernden, bohrenden Fragen ausgesetzt.
Sie war — und das mußte in Erichs Augen am schwersten wiegen — nicht in der Lage, Kontakt mit dem Mann aufzunehmen, den sie liebte.
»Ich kann nicht verstehen«, sagte Helene eines Tages tief verletzt, »warum du mir nichts erzählt hast. Mir ist das unbegreiflich. Ich dachte immer, du hättest Vertrauen zu mir! «
»Es gibt nichts zu erzählen«, sagte Beatrice stereotyp. Diesen Satz hatte sie Erich einige Male entgegengehalten.
Helene seufzte tief. Natürlich glaubte sie das nicht. Niemand glaubte es. Aber Beatrice ihr Geheimnis zu entreißen, schien praktisch unmöglich zu sein. Erichs Kalkül ging nicht auf: Beatrice wurde nicht mürbe, je mehr Zeit verstrich, sie zog sich nur noch weiter in sich selbst zurück. Sie kapselte sich völlig ab. Nichts schien sie mehr zu erreichen. Sie lehnte sich nicht auf, sie kämpfte nicht, sie suchte nicht nach Ausflüchten, nicht nach Wegen, die Situation zu beenden oder erträglicher zu gestalten. Sie ertrug alles, was geschah. Es war, als habe sie eine eigene, weitab liegende Welt aufgesucht, in die niemand ihr zu folgen vermochte.
Sie magerte stark ab und wurde sehr blaß. Unter ihren Augen lagen bräunliche Ringe. Ihre Haare sahen noch struppiger aus als sonst. Es gab keinen Glanz in ihren Augen. Ihre Bewegungen hatten alles Leichte und Federnde verloren, das ihnen vorher zu eigen gewesen war.
Am Ende kapitulierte Erich. Er begriff, daß Beatrice nicht nachgeben würde und daß er sie nicht dauerhaft würde einsperren und von der Schule fernhalten können. Er selbst konnte nicht ständig die Zeit aufbringen, sie zu befragen und zu malträtieren. Zähneknirschend mußte er sich damit abfinden, daß die Runde an sie ging.
»Du wirst keine Chance mehr bekommen, ihn zu sehen«, sagte er. »Es wird keine Minute am Tag und in der Nacht mehr geben, in der du dich davonstehlen könntest. Du magst glauben, daß du gewonnen hast, aber in Wahrheit hast du verloren. Du bist von jetzt an eine Gefangene.«
Ein Adjutant brachte sie zur Schule und holte sie wieder ab. Die patrouillierenden Soldaten vor dem Haus hatten Anweisung, Beatrice keinesfalls vorbeizulassen. Nachts saß ein Soldat in der Eingangshalle des Hauses; es wäre unmöglich für Beatrice gewesen, an ihm vorbeizukommen.
Das Haus hatte sich in eine Festung verwandelt.
Immerhin aber hatte Beatrice nun wieder Kontakt zu Mae, die sich aufgeregt hatte und voller Sorge gewesen war. Von ihr erfuhr sie, daß Julien nach einigen Tagen bangen Wartens in das Haus der Wyatts zurückgekehrt war; er hatte sich in Ställen und Scheunen versteckt und sich dann zu der Arztfamilie durchgeschlagen. Er hatte von einem nächtlichen Badeausflug erzählt und davon, daß er fast geschnappt worden wäre.
»Mein Vater war entsetzlich wütend«, berichtete Mae, »denn Julien hat uns ja alle in größte Gefahr gebracht. Am liebsten hätte er ihn gar nicht mehr aufgenommen, aber dann wäre er vielleicht doch noch geschnappt worden und hätte alles
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