Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Gott, woher hat er denn nun schon wieder meine Nummer?«
Wie sich herausstellte, hatte Frederic über Mrs. Chandler herausgefunden, daß Beatrice nach Guernsey gereist war, und er hatte — ebenfalls über diese bereitwillige Freundin — Helenes Nachnamen in Erfahrung gebracht. Mit Hilfe der Auskunft war es ihm gelungen, an die Telefonnummer zu kommen.
»Der Name ihrer Bekannten klingt deutsch«, sagte er, »und ihr Akzent auch. Lebt sie seit der Besatzungszeit dort?«
»Ja«, sagte Beatrice knapp. Sie sah, daß Helene in der Wohnzimmertür stand und die Ohren spitzte.
»Nun«, fuhr Frederic fort, »ich hätte mich natürlich gefreut, Sie während der Weihnachtszeit einmal in London sehen zu können, aber ich verstehe natürlich, daß Sie nach Hause wollten.«
»Sind Sie in London geblieben? Nicht nach Cambridge gefahren? «
»Was sollte ich in Cambridge?« fragte Frederic. »Dort erwartet mich niemand. Und hier in London kann ich in aller Ruhe arbeiten. «
»Kommen Sie gut voran?«
»Ja, eigentlich schon.« Er machte eine kurze Pause. »Es hat mir leid getan, daß wir uns nicht mehr treffen konnten«, sagte er dann, »und ich habe das Gefühl, Ihnen irgendwie lästig zu sein. Mir täte das sehr leid, und ich... nun, ich würde es selbstverständlich respektieren, wenn Sie mir sagten, ich solle Sie nicht mehr anrufen.«
»Sie sind mir nicht lästig«, sagte Beatrice. Im stillen verwünschte sie Helene, die beharrlich stehen blieb, wo sie war, und nicht daran dachte, sich auch nur ein Wort des Gesprächs entgehen
zu lassen. »Ich bin nur... Ich weiß nicht, ob ich irgendeine Verstrickung möchte.«
»Es wäre keine Verstrickung, wenn wir zusammen essen gingen. «
»Natürlich nicht.« Sie kam sich plötzlich albern vor. »Natürlich wäre es das nicht.«
»Dürfte ich Sie also Anfang Januar in London einladen?«
Sie kapitulierte. »In Ordnung. Anfang Januar. Wir telefonieren? «
»Ich rufe Sie über die Chandlers an. Leben Sie wohl, Beatrice. Und ... frohe Weihnachten! « Er legte auf.
»Frohe Weihnachten«, sagte Beatrice in die tote Leitung hinein. Sofort schoß Helene heran.
»Wer war das denn nun?«
»Habe ich doch gesagt. Ich habe ihn bei einer Party kennengelernt. «
»Und warum telefoniert er hinter dir her?«
Beatrice kam sich vor wie in einem Verhör. »Keine Ahnung. Er möchte mich wiedersehen.«
»Wieso sagst du, du hast keine Ahnung, wenn du genau weißt, er will dich wiedersehen?« fragte Helene quengelig. »Glaubst du, er ist verliebt in dich?«
»Helene, wir haben uns an einem einzigen Abend gesehen. Ich weiß es wirklich nicht. Warum interessiert dich das überhaupt?«
»Erlaube mal!« Helene sah aus wie die fleischgewordene Entrüstung. »Wieso sollte mich das nicht interessieren? Mich interessiert alles , was dich betrifft. Wir gehören zusammen.«
»Aber deswegen muß es mir doch möglich sein, andere Menschen kennenzulernen. Ich lebe in London, du lebst auf Guernsey. Wir können einander nicht vereinnahmen.«
»Es ist ja auch ein Fehler, daß du in London lebst«, sagte Helene anklagend. »Dadurch ist jede von uns allein. Wozu soll das gut sein? «
»Du redest, als wären wir verheiratet. Du kannst doch unmöglich davon ausgehen, daß wir unser Leben zusammen verbringen! «
Um Helenes Mund zuckte es.
Gott, dachte Beatrice, gleich wird sie anfangen zu heulen!
»Du weißt genau, wie allein ich bin, seit Erich tot ist«, sagte Helene. »Die Menschen auf der Insel schneiden mich, und...«
»Das stimmt nicht. Sie sind ausgesprochen nett zu dir. Vor allem, wenn man bedenkt, wer du bist und wer Erich war!«
»Aber ich...«
»Bitte, Helene, laß uns jetzt nicht diskutieren«, sagte Beatrice genervt. Sie konnte es nicht ertragen, wenn Helene kugelrunde Kinderaugen bekam und in diesem weinerlichen Tonfall sprach. »Frederic Shaye sollte kein Grund sein, uns gegenseitig das Weihnachtsfest zu verderben. Ich mache einen Spaziergang zum Meer. Ich bin zum Kaffeetrinken wieder zurück.«
»Kann ich mitkommen?« fragte Helene.
»Nein«, antwortete Beatrice.
Die frische, kalte Luft tat ihr gut. Sie atmete tief und bewußt und schüttelte das Gefühl der Beklemmung ab, das Helene in ihr ausgelöst hatte. Helene würde es nicht gelingen, Einfluß auf ihr Leben zu nehmen. Sie dachte an Frederics warme Stimme. Später rekonstruierte sie, daß es während dieses Spaziergangs an dem dämmrigen Dezembernachmittag gewesen war, als sie ihren inneren Widerstand gegen Frederic aufgegeben
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