Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
hatte. Noch viel später überlegte sie, ob Trotz gegen Helene dabei eine Rolle gespielt hatte.
Am Nachmittag, als es schon wieder dunkel geworden war, erschien Mae, brachte ein paar Geschenke mit und präsentierte einen jungen, etwas schüchternen Mann, den sie als ihren Verlobten vorstellte. Er hieß Marcus Ashworth und arbeitete als Bankangestellter in St. Peter Port. Mae sah sehr hübsch und strahlend aus, hatte rote Wangen und leuchtende Augen. Als sie für ein paar Momente mit Beatrice allein in der Küche war, die Kuchenteller auffüllte und frischen Kaffee kochte, sagte sie: »Marcus und ich werden heiraten. Ich bin schwanger.«
»Mae, das freut mich für dich«, sagte Beatrice, denn Mae wirkte so glücklich, daß ihre Schwangerschaft kaum ungewollt sein konnte. »Werdet ihr hier auf Guernsey bleiben?«
»Ich denke schon«, sagte Mae, »ja, sicher sogar. Marcus ist hier aufgewachsen, ich bin es auch. Wir könnten uns beide gar nicht vorstellen, woanders zu leben.« Sie musterte Beatrice neugierig.
»Wie du es nur so lange aushalten kannst, in London zu sein! Hast du nicht vor, irgendwann zurückzukehren?«
»Ich weiß nicht«, sagte Beatrice langsam, »ich bin nicht sicher, ob ich zurückkehren kann .«
»Hast du hier kein Heimatgefühl?«
»Doch. Aber ich habe auch ungute Erinnerungen.«
Sie betrachtete die zufriedene, rotwangige Mae, deren Augen so zuversichtlich dreinblickten. In ihnen waren weder Schrecken noch Schmerzen zu lesen. Mae hatte die Besatzungszeit im Haus ihrer Eltern verlebt, hatte nie das Gefühl von Geborgenheit und Wärme verloren. Beatrice hatte ihre fünf wichtigsten Entwicklungsjahre im Haus eines Nazi-Offiziers verbringen müssen, sie war von ihren Eltern von einem Moment zum anderen getrennt worden, sie hatte eine schmerzhafte und gefährliche Beziehung unterhalten zu einem Mann, der in einem Versteck leben mußte und darüber fast den Verstand verlor, sie hatte ihre Familie nicht mehr lebend vorgefunden. Wenn sie Mae ansah, so hatte sie das Gefühl, daß Lichtjahre sie beide voneinander trennten.
»Mal sehen, was kommt«, meinte sie unbestimmt.
»Gibt es einen Mann für dich drüben in England?« fragte Mae neugierig. »Ich kann mir nicht denken, daß du Jahre an der Uni hast verbringen können, ohne dich in eine Romanze zu verstricken! «
»Ich hatte anderes zu tun an der Uni.«
»O Gott, du wirst aber doch nicht rund um die Uhr nur studiert haben! Nach allem, was ich gehört habe, geht es recht lustig zu an den Universitäten.«
»Ich hatte jedenfalls keine lustige Zeit«, sagte Beatrice etwas kurz angebunden. »Ich hatte einfach eine Menge zu tun.«
»Und jetzt?« Mae ließ nicht locker. »Gibt es jetzt jemanden?«
»Wie sollte es das? Ich unterrichte verwöhnte Damen aus besseren Kreisen. Wie sollte ich da einen Mann kennenlernen?«
»Es gibt immer eine Möglichkeit. Aber gut, da ist entweder niemand, oder du möchtest nicht darüber sprechen. Aber wenn du völlig frei bist, könntest du doch auch nach Guernsey zurückkehren. Wir würden uns alle sehr freuen.«
»Wer würde sich freuen? « fragte Beatrice zurück, und es schwang
Aggression in ihrer Stimme. »Du hast deine junge, glückliche Familie. Glaub nicht, daß du noch viel Zeit findest für irgendeinen anderen Menschen, wenn erst dein Baby da ist!«
»In erster Linie würde Helene sich freuen«, sagte Mae. »Ich glaube, daß sie sich sehr allein fühlt.«
»Weint sie sich bei dir aus?«
»Sie jammert viel«, antwortete Mae vorsichtig«, aber sie ist wirklich einsam. Sie hat zu niemandem auf der Insel richtig Kontakt. Am meisten noch zu mir, ein bißchen zu meinen Eltern. Es ist tragisch, so jung Witwe zu werden.«
»Sie hat jede Möglichkeit zu einem Neuanfang. Nur vielleicht nicht hier. Sie müßte nach Deutschland zurückkehren. Ich kann nicht verstehen, warum sie das nicht tut.«
»Man würde mit Fingern auf sie zeigen. Von den Deutschen ist ja gleich nach Kriegsende angeblich niemand mehr für Hitler gewesen. Wenn man sie reden hört, ist jeder im Widerstand gewesen«, sagte Mae höhnisch. »Komisch, daß sich Hitler dann so lange halten konnte, nicht? Aber Helene, als Witwe eines SS-Offiziers, hätte Schwierigkeiten, so zu tun, als sei sie von blütenreiner Unschuld. Ich verstehe, daß sie nicht wieder nach Deutschland möchte. «
»Aber hier ist es auch nicht viel besser, wie du ja sagst. Mae, was auch immer sie tut, es ist ihr Leben. Sie muß allein entscheiden. Und sie kann sich nicht an mich
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