Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
eigene Stimme hätte er nicht zusätzlich ertragen.
Er hatte sich am späten Abend zum letztenmal übergeben und sich inzwischen so entkräftet gefühlt, daß er auf allen vieren zitternd aus dem Badezimmer gekrochen war. Das Telefon läutete immer noch. Irgend jemand schien ihn äußerst dringend erreichen zu wollen. Wahrscheinlich Beatrice. Er erinnerte sich dunkel, am Montag mit ihr gesprochen zu haben. Er war ziemlich betrunken gewesen, und vermutlich regte sich Beatrice deswegen wieder schrecklich auf. Er hatte nicht die geringste Lust auf ihre Vorhaltungen, und er hatte nicht die Kraft, ihrem Gezetere — wie er es für sich nannte — etwas entgegenzusetzen.
Er legte sich ins Bett, glaubte, die Erschöpfung werde ihn sofort in tiefen Schlaf fallen lassen, aber zu seiner Überraschung war er plötzlich hellwach und ruhelos. Er wälzte sich von einer Seite zur anderen, gepeinigt von dem Gedanken an einen Schluck Whisky. Das Zittern würde aufhören, das Herzrasen, er würde Ruhe finden ... Aber es würde nicht bei einem Schluck bleiben, das wußte er auch, und das war gefährlich. Wenn er am nächsten Tag ins Büro wollte, dachte er verzweifelt, verdammt, ich werde es nicht schaffen. Es fängt alles von vorn an. Das Alleinsein. Die Trinkerei.
Am heutigen Morgen hatte er noch immer schrecklich ausgesehen, aber nachdem er ausgiebig geduscht, die Haare gewaschen
und gefönt, sich rasiert und zwei Tassen starken Kaffee getrunken hatte, meinte er, es riskieren zu können, wieder unter Menschen zu gehen. Er zog einen guten Anzug an und schluckte zwei Aspirin.
Im Büro sagte ihm die Sekretärin, es habe Probleme gegeben wegen einiger ausgefallener Termine an den vergangenen drei Tagen, und er nickte; er hatte sich das gedacht, es war immer so gewesen, wenn er abgestürzt war. Bislang hatte es ihn noch nicht wirklich in Schwierigkeiten gebracht, aber auch was diesen Punkt anging, dachte er: Es darf so nicht weitergehen.
»Wenn meine Mutter anruft«, sagte er zu der Sekretärin, »dann stellen Sie sie bitte nicht durch. Sagen Sie, ich habe einen Termin nach dem anderen.«
Die Sekretärin nickte. Auch das kannte sie. Wenn der Chef einen Zusammenbruch gehabt hatte, war er nie für seine Mutter zu sprechen. Die alte Dame konnte offensichtlich unangenehm werden in solchen Fällen.
»Ihre Mutter hat zweimal angerufen«, teilte sie ihm mittags mit. Er hatte es geahnt. Aber immerhin wußte sie nun, daß er noch am Leben war.
Mehr braucht sie nicht zu kümmern, dachte er aggressiv.
Irgendwie überstand er den Tag, klammerte sich an dem Ziel fest, am Abend einen Whisky trinken zu können.
Ein Whisky kann nicht schaden, sagte er sich, aber nun hielt er schon das zweite Glas in der Hand, und davor hatte er den Sherry gehabt, aber Sherry zählte eigentlich nicht, vor allem dann, wenn man gerade eine schockierende Nachricht erhalten hatte.
Es klingelte wieder und wieder an der Tür, mit einer Penetranz, die eigentlich nur auf einen Vertreter schließen ließ, der sich Einlaß verschaffen wollte.
Ich bin nicht da , dachte Alan und nahm einen Schluck Whisky. In dem Moment hörte er, wie ein Schlüssel im Schloß herumgedreht wurde. Als er in die Diele hinaustrat, stand er Maja gegenüber.
»Tut mir leid«, sagte sie anstelle einer Begrüßung, »aber als du überhaupt nicht aufmachtest...«
»Du kannst doch nicht einfach hier hereinkommen!«
»Ich hatte noch den Schlüssel. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.
Seit vorgestern versuche ich ständig, dich telefonisch zu erreichen. Im Büro warst du nicht, und hier hat sich auch niemand gemeldet. Da wollte ich nachsehen.«
Er streckte die Hand aus. »Gib mir bitte den Schlüssel. Und dann geh wieder. Du weißt ja nun, daß ich in Ordnung bin.«
Ihre hübsche Nase — die er so zerbrechlich fand, so zart — zuckte ganz leicht. Als sei sie ein Tier, das eine Witterung aufgenommen hatte.
»Du hast getrunken«, stellte sie fest.
Er nickte. »Einen Whisky. Das dürfte erlaubt sein, oder? Und jetzt gib mir bitte den Schlüssel.«
Sie ging, ohne seiner Aufforderung Folge zu leisten, an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Überall standen noch Flaschen und Gläser herum. Eine Szenerie, die ihr alles verraten mußte.
Verdammt, dachte er und folgte ihr.
Sie drehte sich um. Sie schien verstört, ihre Augen waren größer als sonst.
»Du hast von Helene gehört?« fragte sie.
Er atmete tief. »Gerade eben. Beatrice rief mich an.«
»Großmutter hat es mir am Dienstag morgen erzählt.
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