Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
halten.«
Überrascht sah Alan sie an. »Sie hat praktisch ihr ganzes Leben mit Helene verbracht. Für sie muß nun eine Welt zusammengebrochen sein.«
»Sie hat Helene nie gemocht. Es hat kaum einen Menschen gegeben, den sie sich mehr aus ihrer Nähe fortgewünscht hat, als Helene.«
»Du übertreibst. Natürlich hat es manchmal Reibereien zwischen den beiden gegeben, aber das ist doch normal. Im Prinzip ...«
»Im Prinzip hat sich Helene wie eine Zecke an Beatrice festgesaugt, und Beatrice hat sie dafür zum Teufel gewünscht«, sagte Maja. Der Schock hatte ihrer Urteilsfähigkeit nichts an Klarheit
genommen und die Deutlichkeit ihrer Ausdrucksweise nicht vermindert.
»Du solltest ein wenig vorsichtig sein mit dem, was du sagst«, meinte Alan ärgerlich. »Ich denke nicht, daß du...«
Sie lachte leise, aber das Lachen klang nicht fröhlich und kokett wie sonst. Etwas Schrilles und Gehetztes schwang darin mit. »Alan, das ist wirklich immer so entzückend bei dir. Du bist bei diesen beiden Frauen groß geworden, hast dein halbes Leben mit ihnen verbracht. Trotzdem weißt du offenbar nicht, was außer dir die ganze Insel weiß: daß die beiden über fünfzig Jahre lang eine fürchterliche Beziehung hatten, und daß keine im Grunde mit der anderen zurechtkam. Helene kam nicht weg von Beatrice, weil sie völlig abhängig war von ihr, und Beatrice konnte sich ihrer nicht entledigen, weil sie möglicherweise Mitleid hatte oder ...«
»Meine Mutter hat mit niemandem jemals Mitleid«, korrigierte Alan, »das ist sicherlich nie ihr Motiv gewesen, eine Person in ihrem Haus zu dulden, die sie im Grunde nicht dort haben wollte. So ist Beatrice nicht. Ein klein wenig kenne ich sie durchaus. Wenn sie jemanden nicht will, dann sagt sie ihm das sehr deutlich und unmißverständlich. «
»Ganz offensichtlich hat sie das aber bei Helene nicht getan.«
»Möglicherweise deshalb«, sagte Alan, »weil sie Helene mochte.«
»Mae sagt ...«
»Mae!« Alan runzelte ärgerlich die Stirn. »Nimm es mir nicht übel, Maja, aber deine Großmutter Mae plappert eine Menge dummes Zeug, wenn der Tag lang ist. Du solltest nicht auf alles etwas geben. «
»Ganz sicher nicht auf alles. Aber sie hat recht in dem, was sie über Beatrice und Helene sagt. Denn außer ihr sagen noch hundert andere Leute genau das gleiche. Und überdies hatte auch ich immer diese Empfindung.«
»Es ist müßig, darüber zu diskutieren«, sagte Alan. »Helene ist tot, und... mein Gott!« Er ließ sich in einen Sessel fallen, barg das Gesicht in den Händen. Als er wieder aufblickte, waren seine Augen vor Traurigkeit gerötet, ohne daß er geweint hätte.
»Was tust du überhaupt hier?« fragte er tonlos.
»Das habe ich doch gesagt.« Maja stand mitten im Zimmer, das leere Whiskyglas in den Händen. »Ich wollte mit jemandem sprechen, der Helene gekannt hat.«
»Du hättest auch zu Edith gehen können.«
»Edith soll es nicht wissen. Sie ist zu alt, es würde sie zu sehr aufregen.«
»Nun gut. Du bist also zu mir gekommen. Du hast mit mir gesprochen. Jetzt könntest du eigentlich wieder gehen.«
»Ja. Eigentlich könnte ich das.«
»Und?«
»Möchtest du, daß ich gehe?«
»Wenn du irgendwelche Probleme hast«, sagte Alan, »solltest du mit deinem Freund darüber sprechen. Für das Trösten ist er zuständig. «
»Ach, der...« Ihre Stimme klang gepreßt.
»Ja?«
»Mit dem ist es aus. Ich habe nichts mehr, kein Geld, keine Wohnung, keinen Menschen.« Sie brach in Tränen aus. » Ich werde in das gottverdammte St. Peter Port zurückkehren müssen.«
13
»Ich verstehe nicht, wie dieser Beamte so herzlos sein kann, Beatrice am selben Tag zu verhören, an dem Helene zu Grabe getragen wurde«, sagte Franca. »Man könnte ihr doch ein wenig Zeit geben.«
»Das ist kein Verhör«, erinnerte Alan, »der Beamte bat sie um ein kurzes Gespräch und stellte ihr völlig frei, ob sie sich darauf einlassen wollte oder nicht. Sie war sofort dazu bereit und lehnte sogar meinen Beistand ab. Ich denke also, sie hatte tatsächlich nichts dagegen.«
Es war ein strahlend schöner Maitag; nicht eine einzige Wolke verdüsterte den blauen Himmel. Die Sonne schien fast so warm wie im Hochsommer, kein Windhauch regte sich. Die Wiesen und Hecken entlang den Klippen über dem Meer blühten. Das Meer
glitzerte in einem türkis schimmernden Blau. Ein paar Segelboote kreuzten entlang der Küste oder dümpelten träge in den Buchten. Ein heißer, stiller, träger Tag.
»Ich
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