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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Zeit«, sagte er leise, »eine sehr lange Zeit, Herr Oberstleutnant.«
    »Zeit genug, sich manches Wissen anzueignen, oder nicht?«
    »Nun, ich...«
    »Beantworte einfach meine Frage. Meinst du nicht auch, daß fünf Jahre ausreichen müßten, sich alles Wissenswerte auf einem Gebiet anzueignen, von dem man zuvor wenig Ahnung hatte?«
    »Herr Oberstleutnant, das ist richtig, wenn...«
    »Länger hättest du für dein Studium auch nicht Zeit bekommen. Oder hättest du ein ewiger Student sein wollen, der seinen Eltern immer nur auf der Tasche liegt? Ich glaube fast, daß du solch eine Art Mensch bist. Einer, der nichts auf die Beine stellen kann. Der sich durchs Leben mogelt und sich auf Kosten anderer satt ißt. «
    »Ich denke, es hat mir an Anleitung gefehlt«, sagte Pierre mit bewunderungswürdigem Mut, denn es mußte ihm klar sein, daß es für Erich nicht darum ging, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen oder objektiv einen Sachverhalt zu klären. Es ging ihm einzig darum, seine Aggressionen loszuwerden, und jeder Versuch Pierres, sich zu rechtfertigen, würde seine Wut nur steigern.
    Erich schüttelte langsam den Kopf. »An Anleitung hat es dir gefehlt? Das ist eine interessante Aussage. Eine sehr interessante Aussage. Du hast geglaubt, dein Aufenthalt auf Guernsey sei eine Art Lehrgang? Eine Ausbildung? Du dachtest ernsthaft, du würdest hier in den Genuß einer kostenlosen Ausbildung kommen? Wobei kostenlos in diesem Fall bedeutet hätte: auf Kosten des deutschen Volkes? «
    »Nein, Herr Oberstleutnant, ich habe nur gesagt, daß...«
    »Du hast erwartet, das deutsche Volk werde dir, einem hergelaufenen Franzosen, eine Ausbildung finanzieren? Fleißige deutsche Hände hätten nichts anderes zu tun, als sich für dich und deine verdammte Ausbildung zu regen? Du hast gedacht, einen Anspruch darauf zu haben?«
    Pierre schwieg nun. Er hatte die Sinnlosigkeit der Debatte begriffen.
Er hielt den Kopf gesenkt und ließ Erichs Wutgeschrei über sich hinwegbrausen, das schließlich in der Ankündigung endete, von nun an würden andere Saiten aufgezogen, und Pierre werde jetzt deutlich kürzer gehalten, denn offenbar gehe es ihm zu gut; er habe zuwenig Arbeit und zuviel Essen, und es sei angebracht, dies umzukehren. Nach seiner, Erichs, Erfahrung bringe es die Menschen rasch zur Vernunft, wenn sie genug zu tun hatten und keine Gelegenheit, sich dicke Bäuche anzufressen.
    Pierres tägliche Essensration war fast nicht mehr zu kürzen, aber Erich schaffte es, sie noch zu reduzieren und Pierre auf ein Minimum zu drücken, was er nur dann würde überleben können, wenn er keinesfalls krank wurde oder in eine irgendwie geartete Ausnahmesituation geriet. Er sah bald noch elender und schlechter aus. Helene hatte wie üblich zuviel Angst, um sich über das Diktat ihres Mannes hinwegzusetzen, aber Beatrice steckte Pierre hin und wieder etwas Eßbares zu, obwohl dies auch für sie zunehmend schwieriger wurde: Es gab praktisch nichts mehr. Während des ganzen März und April hegten Besatzer, Besetzte und Kriegsgefangene die Furcht, gemeinsam auf den Inseln zu verhungern.
    Am 30. April erschoß sich Adolf Hitler in der von den Russen bereits zu großen Teilen eingenommenen Reichshauptstadt. Am I. Mai eskalierte die Situation im besetzten Haus der Feldmanns.
     
    Natürlich wußten sie nichts vom Tod des Führers. Die Nachrichten hatten es noch nicht gemeldet; möglicherweise wußte man selbst im umkämpften Berlin noch nichts davon oder war zumindest nicht in der Lage, den Wahrheitsgehalt des Gerüchts zu bestätigen. Das Radio meldete am Morgen, daß Straßenzug um Straßenzug Berlins von russischen Truppen erobert würde und daß deutsche Soldaten trotz der verzweifelten Lage tapferen Widerstand leisteten. Niemand wagte das Wort Kapitulation auszusprechen, aber Beatrice fand, daß es so klang, als stehe das Ende des Krieges unmittelbar bevor. Was mußte noch geschehen, um Deutschland zum Aufgeben zu bewegen? Der endgültige Zusammenbruch konnte nur eine Frage von Tagen sein.
    Erich war am Morgen sehr früh erwacht; Beatrice hörte ihn
schon ab fünf Uhr im Haus umherstreifen. Er war offensichtlich wieder auf der Suche nach seinen Tabletten, denn Beatrice lauschte, wie er Schubladen aufzog, Schranktüren öffnete und schließlich sogar begann, Sofas und kleinere Schränke von den Wänden zu rücken. Gegen sechs Uhr fing er an, nach Helene zu brüllen.
    »Helene! Verdammt, wo steckst du? Komm herunter und hilf mir! «
    Auf dem

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