Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Irgendwann heilen sie.«
Sie hätte ihm gern etwas Tröstliches gesagt, etwas, das ihn gestärkt und die entsetzliche Hoffnungslosigkeit aus seiner Stimme vertrieben hätte, aber sie hätte nichts anderes zu sagen gewußt als jene Wahrheit, die er gerade schon selbst formuliert hatte und die doch nur seinem Verstand entsprang, nicht seinem Herzen.
»Beatrice hat von Kevin etwas über Helene erfahren, das sie völlig durcheinandergebracht hat«, sagte sie. Beatrice hatte ihr nicht ausdrücklich das Versprechen abgenommen, mit niemandem über diese Geschichte zu sprechen; Franca hatte von selbst den Eindruck
gehabt, die Angelegenheit sei vertraulich, und dennoch glaubte sie in diesem Augenblick, es gegenüber Beatrice vertreten zu können, wenn sie deren Sohn davon erzählte: um ihn abzulenken von seinem tiefen Kummer, um ihm zu zeigen, daß das, was ihm widerfahren war, jedem Menschen zustieß, daß es jeden Tag irgend jemanden traf.
»Über Helene?« fragte Alan. »Da wußte Kevin etwas, das Beatrice nicht wußte?«
»Oh - ich glaube, Kevin war ihr engster Vertrauter. Helene fürchtete sich durchaus vor Beatrices scharfer Zunge, aber von dem sanften Kevin fühlte sie sich verstanden.«
Alan lächelte ein wenig, ohne dabei heiter zu wirken. »Hatte die gute Helene eine geheime Liebschaft? Ein leidenschaftliches Verhältnis über Jahre, von dem niemand etwas wußte?«
Franca erwiderte sein Lächeln, aus keinem anderen Grund als dem, es zu übernehmen und damit noch einen Moment länger am Leben zu erhalten. »Nein, ich denke, sie ist ihrem Erich tatsächlich über seinen Tod hinaus treu geblieben. Und dazu hatte sie manchen Grund: Bevor er starb, machte er sie zu einer steinreichen Frau.«
»Helene war reich?« fragte Alan ungläubig. »Unsere Helene?«
»Sie saß auf einem Vermögen. Buchstäblich. Das meiste Geld hatte sie in ihrem Zimmer im Kleiderschrank. Aber nach und nach hat sie auch größere Beträge auf verschiedenen Bankkonten verteilt. Sie muß fast eine halbe Million Pfund besessen haben. Sie half Kevin immer wieder aus seiner ständigen finanziellen Misere - vermutlich deshalb, um sich bei ihm wichtig und interessant zu machen und sich seine Zuneigung zu erhalten. Irgendwann fiel auch Kevin auf, daß sie das alles unmöglich nur von ihrer Rente bezahlen konnte, und er fragte sie, woher das Geld komme. Sie konnte nicht an sich halten und erzählte die Wahrheit. Von da an war Kevin Stammgast bei ihr. Er holte das Geld tausenderweise aus ihr heraus.«
»Aber woher«, fragte Alan zutiefst verwirrt, »hatte Helene ein Vermögen? Ich meine, woher hatte Erich es, wenn Sie sagen, sie hat es von ihm bekommen?«
»Von Juden«, sagte Franca. »Erich hat sich an jüdischem Eigentum
bereichert. Er war oft in Frankreich während des Krieges. Er hat sich eine Menge Geld und Schmuck von französischen Juden angeeignet, die aus ihren Häusern vertrieben und deportiert wurden. Und es gab zwei reiche jüdische Familien auf Guernsey, denen er versprochen hatte, ihnen zur Flucht zu verhelfen gegen Übereignung ihres gesamten Hab und Guts. Er bekam, was er wollte, hat die Ärmsten dann aber doch in die Arme der Küstenwache laufen und erschießen lassen. Jedenfalls hinterließ er eine wohlversorgte Witwe, die weitaus besser dastand, als alle dachten. «
»War Helene informiert?« wollte Alan wissen. »Ich meine, wußte sie schon während des Krieges, was ihr Mann trieb, und daß in ihrem Haus ein stattliches Vermögen anwuchs?«
Franca schüttelte den Kopf. »Nein. Das wußte sie nicht. Er sagte es ihr an dem Tag, an dem er starb. Sie saß bei ihm, Stunde um Stunde, bis er tot war. Und irgendwann während dieser langen Stunden erzählte er ihr, daß es dieses Geld gab und wo sie es finden konnte. Beatrice war draußen im Garten. Sie bekam nichts davon mit.«
»Mein Gott«, murmelte Alan, »und all die Jahre...«
»... sagte sie kein Wort darüber. Der Besitz eines Vermögens hätte sie zu stark dastehen lassen. Am Ende hätte es Beatrice dann doch fertiggebracht, sie vor die Tür zu setzen.«
»Sie hat immer geklagt, so wenig Geld zu haben«, erinnerte sich Alan. Er schien verstört und verwirrt. »Sie rechnete uns manchmal vor, was sie an Rente bekam, und sagte, es sei zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel. Und irgendwie sah man ein, daß das stimmte. Es war wirklich wenig.«
»Eine ihrer zahlreichen Listen, um Beatrice zu bewegen, sich lebenslänglich um sie zu kümmern«, sagte Franca. »Sie kämpfte mit
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